Dienstag, 2. Oktober 2018

Durch das wilde Balochistan

Pakistan - was wissen wir in Europa darüber? Was fällt uns als Erstes dazu ein? Richtig, ich muss es erst gar nicht erwähnen - ich glaube wir denken vermutlich alle an das Selbe. 
Wir haben viel über den Grenzübergang recherchiert, allerdings ist es schwierig herauszufinden, wie dann alles genau ablaufen wird. Der Weg nach Osten führt unweigerlich durch Balochistan, sozusagen der "Wilde Westen" von Pakistan und das Krisengebiet, welches unsere westliche Medienberichterstattung füttert. 
Es ist kurz vor 16 Uhr und die Grenze schließt unmittelbar nach unserer Einreise. Wir haben unsere Ankunft extra so gewählt um in der Grenzstadt Taftan übernachten zu dürfen. Kommt man zu früh an, wird man eventuell weiter Richtung Dalbandin eskortiert. Von dort aus ist es nur noch eine Tagesfahrt nach Quetta. Um in der Stadt Quetta in Pakistan weiterreisen zu dürfen, benötigt man ein NOC (Erlaubnis). Dieses Schreiben kann man allerdings nicht am Wochenende bekommen. Kommt man trotzdem am Wochenende in Quetta an, muss man bis Montag oder sogar Dienstag warten um weiterfahren zu können. Quetta ist einer der gefährlichsten Orte In Pakistan und man kann und darf dort nichts machen. Man will also möglichst die Stadt sofort verlassen um nicht tagelang im Hotel zu sitzen.

Die Polizeistation in TaftanSchlechte Bildqualität, aber es zeigt die Stimmung perfektDie Grenzbeamten sind sehr freundlich und die ganze Prozedur ist schnell erledigt. Taftan ist ein staubiges Grenzdörfchen und es gibt hier eigentlich nichts, außer eine Polizeistation und ein paar heruntergekommene Häuser. Ein Levi, die für die ländlichen Bezirke zuständige Polizisten werden Levis genannt, geleitet uns zur Polizeistation und anschließend zu einem Verwaltungsgebäude, wo wir uns registrieren müssen. Anschließend bekommen wir in der Polizeistation ein kleines Zimmer zugewiesen, wo bereits ein anderes Pärchen aus Deutschland untergebracht ist. Die Zwei sind per Anhalter unterwegs. Sonst gibt es hier noch ein paar Gefängniszellen, ein Klo und einen Aufenthaltsraum für die Levis. Unsere beiden Mopeds stehen im kleinen Innenhof des Gebäudes. Die Levis sind sehr freundliche Jungs und versorgen uns kostenlos mit Dal (Linsensuppe), Brot und natürlich Chai. Es fühlt sich an wie in einem Italo Western, nur dass die Jungs hier mit Kalashnikovs statt Revolvern ausgestattet sind. Die tragen sind ständig bei sich, nur wenn sie sich hinsetzen werden sie ab und zu lässig an die Wand gelehnt.

Warten auf das nächste Eskortenfahrzeug in BalochistanWir verlassen TaftanEinige Zeit später ertönt plötzlich ziemlicher Lärm am Eingangstor zum Revier und ca. 150 Leute werden in den Innenhof getrieben und müssen sich dort setzen. Der ganze Hof ist voll mit Männern, Frauen und Kindern. Auf Anfrage erklärt uns jemand, dass es sich um Flüchtlinge handelt, welche illegal die Grenze Richtung Westen überqueren wollten. Nach einiger Zeit beruhigt sich der Tumult etwas und die Menschen werden sogar mit Essen versorgt. Anfangs hatte es eher den Anschein gemacht, als ob die Nacht in einem absoluten Chaos endet. Wir lassen ein paar Kinder zu uns ins Zimmer, damit die es wenigstens ein bisschen schön haben.
Selfies mit den LevisTankstelle in BalochistanAm nächsten Morgen warten wir auf unsere Eskorte. Die Flüchtlinge wurden bereits in Busse gepackt und hoffentlich wieder Richtung Zivilisation gefahren. Das deutsche Pärchen kommt auf einen Pickup mit ein paar bewaffneten Levis und wir folgen dem Ganzen dann Richtung Dalbandin. Die Landschaft sieht aus wie bereits auf der iranischen Seite. Karge Wüste und auf beiden Seiten Berge in der Ferne. Die Straße ist eigentlich ganz gut, außer dass man manchmal etwas auf tiefere Sandverwehungen achten muss. In regelmäßigen Abständen werden wir einem neuen Eskorten Fahrzeug übergeben. Vorher müssen wir uns meist registrieren und trinken noch gemütlich einen Tee mit den Levis. In dieser Gegend sind alle sehr entspannt. Es gibt sowieso nicht so viel zu tun und die Levis scheinen sich zu freuen, dass sie etwas Abwechslung durch die Touristen bekommen. Natürlich gibt es auch jede Menge Selfies zu machen und Kalashnikov Rambo Style Posing gehört natürlich auch dazu. Was für uns zuerst etwas seltsam erscheint, ist für die Menschen hier ganz normal. Ein Maschinengewehr gehört hier fast zur Grundausstattung wie für uns ein Handy. 

Typisch pakistanischer Truck
Tee bei den LevisJe länger wir fahren, desto anstrengender wird die Fahrt, da durch die vielen Tees die Blase ständig geleert werden will. Das Gehoppel auf der Straße macht das Ganze nicht angenehmer und so sind wir jedes Mal froh, wenn es wieder Registrierung und Teepause heißt. Wie zwei Coyoten markieren wir so also quasi die kompletten 300 Kilometer bis Dalbandin.
In Dalbandin werden wir in ein Hotel gebracht, da wir angeblich nicht in der Polizeistation schlafen dürfen. Das Hotel ist relativ teuer und nach einiger Diskussion bekommen wir einen kleinen Schuppen im Hof um dort umsonst übernachten zu dürfen. Nachts dürfen wir auf das Hoteldach um die Stadt überblicken zu können. Bei Helligkeit wurde es uns verweigert, da man uns nicht sehen sollte. 
Als wir schließlich mit ein paar Leuten im Hof sitzen, kommen drei seltsame Gestalten vorbei und setzen sich dazu. Nach kurzer Zeit wird klar, die Männer sind irgendwie von der Polizei und wollen uns Fragen stellen. Es kommt uns etwas vor wie bei einer Anhörung und nachdem sie scheinbar, mit dem was sie gehört hatten, zufrieden waren, verabschieden sie sich wieder.

Panzerwagen für die TourisAm nächsten Tag gehen die Eskorten weiter Richtung Quetta. Die Polizisten sind hier lange nicht so entspannt wie bei der Fahrt nach Dalbandin. Sie wirken angespannt und wir machen auch keine Teepausen. Nach einiger Zeit fragen wir nach, ob es hier gefährlich ist. Uns wird erklärt, dass auf dieser Strecke manchmal Straßenbomben gelegt werden, daher sei die Fahrt nicht ganz ungefährlich. Wahrscheinlich erklärt das auch den Grund, dass wir deutlich schneller und ohne große Pausen unterwegs sind. Weitere 300 Kilometer und viele Eskorten Ablösungen später werden wir in ein kleines Häuschen am Straßenrand gebracht und bekommen einen Tee. Wir warten ca. eine halbe Stunde und zwei Polizisten unterhalten sich etwas mit uns. 
Danach kommt die nächste Eskorte. Als wir aus dem Haus treten sind wir dann doch etwas verwundert, als dort ein Panzerwagen mit einem gewaltigem Maschinengewehr auf dem Dach vor uns steht. Die Polizisten sind auch keine Polizisten mehr, sondern Anti Terror Spezialeinheit. Die zwei anderen Deutschen kommen schließlich ins Panzerfahrzeug und wir werden aufgefordert zu folgen und auf keinen Fall anzuhalten. Es fühlt sich plötzlich an wie in einem James Bond Film.

Anti-Terror Einheiten unter der Brücke in Quetta
Wir fahren mitten in der Rush Hour durch Quetta. Die Straßen sind verstopft und unsere Eskorte schlängelt wie gestört durch den dichten Verkehr. Pakistan in auch noch unser erstes Land mit Linksverkehr, aber zum Glück hatten wir ca. 600 Kilometer Zeit uns etwas daran zu gewöhnen. Das Chaos ist komplett. Marktplatz mit Esel-, Pferde- und Kamelkarren, Fußgänger, Motorradfahrer, Autos, Hunde, Kühe, gestörte Busfahrer und völlig überladene LKWs im typisch pakistanischen Design.
In der Stadt werden wir unter eine Straßenbrücke gebracht um auf das nächste Fahrzeug zu warten. Dort stehen ca. zehn schwer bewaffnete Anti Terror Leute zu unserem Schutz. Einige Zeit später kommt unser nächstes Eskortenfahrzeug. Es ist kein Panzer mehr, aber der Laderaum ist verdeckt, damit man nicht hineinsehen kann.
In Quetta ist mittlerweile bekannt, dass Touristen in das dreckige und völlig überteuerte Bloom Star Hotel gebracht werden. Ein Doppelzimmer kostet dort ca. 4000 pakistanische Rupees, was ca. 27 € entspricht. Das hört sich jetzt erst einmal nicht so viel an, die Zustände sind aber wohl eher wie in einem 2 € Drecksloch. Aus diesem Grund hatten wir den letzten Polizeieskorten bereits ununterbrochen erklärt, dass wir in die Polizeistation von Quetta gebracht werden wollen und nicht in ein Hotel. Letztendlich zum Glück mit Erfolg und so werden wir tatsächlich an der Polizeistation abgesetzt. Ist man an dieser Stelle nicht beharrlich, landet man unweigerlich im Hotel und dort erst einmal angekommen, kommt man nicht mehr weg, da sich die Polizei weigert einen woanders hinzubringen.

Aufenthaltsraum in der Polizeistation in QuettaInnenhof der Polizeistation in QuettaDie Polizeistation in groß und schwer bewacht. Für normalen Polizisten gibt es ein Gebäude mit einem kleinen Innenhof, Gefängniszellen, Küche, zwei Schlafräume, Klos und einem Waschraum. Wir dürfen unserer Mopeds im Innenhof parken und müssen danach ins Verwaltungsgebäude zum Oberverwaltungsfuzzi, um die Erlaubnis zu bekommen die Nacht dort verbringen zu dürfen. Der Oberverwaltungsfuzzi ist nicht begeistert und nach einem Smalltalk meint er, dass nur das andere deutsche Pärchen in der Polizeistation bleiben darf. Wir erklären ihm, dass wir keine 4000 Rupees für ein dreckiges Hotel bezahlen und er verspricht dort anzurufen damit wir einen vernünftigen Preis bekommen. 
Zurück im Innenhof warten wir auf die Bestätigung, welche wir niemals bekommen werden. Stattdessen steht die Eskorte für uns bereit, um uns ins Hotel zu bringen. Wir fragen die Jungs nach dem Hotel Preis und bekommen als Antwort: normalerweise 4000 Rupees. Daraufhin erklären wir den Polizisten, dass wir so nicht mitkommen. Maximal 1500 Rupees oder wir bewegen uns nicht vom Fleck. Plötzlich meint einer der anderen Polizisten, dass wir doch einfach hier bleiben sollen. Wenn wir uns weigern würden, könnten die Verwaltungsfuzzies rein gar nichts dagegen tun.
Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und räumen unsere Sachen in eines der Schlafräume. Dort sitzt gerade eine große Gruppe der Polizei Jungs und raucht gemütlich Gras. Aha - willkommen im Wilden Westen. Sie scheinen sich zu freuen, dass ein paar Touristen hier für Abwechslung sorgen oder vielleicht sind sie auch einfach nur entspannt?

Bürokratie wie daheimTags darauf werden wir mit ein paar mehr Touristen zum Ort gebracht, wo wir unser NOC bekommen sollen. Das NOC ist eine Erlaubnis durch Balochistan reisen zu dürfen. Warum man das in Quetta beantragen muss, wo man Balochistan schon bald wieder verlässt und nicht in Taftan direkt an der Grenze bekommt, weiß der Kuckuck. Zwei Polen erzählen uns vom Bloom Star Hotel. Sie waren vor dem Wochenende angekommen und hatten dort aufgrund eines Feiertags bereits 4 Nächte verbracht - also über 100 € bezahlt. Sie sind stinksauer.
Für das NOC muss man verschiedene Räume besuchen und braucht in erster Linie viel Geduld. In einigen Räumen passiert eigentlich gar nichts, aber man sitzt dort trotzdem eine halbe Stunde. Wer die Geschichte von Asterix und Obelix kennt, wo sie den Passierschein 57 bekommen müsssen - so fühlt sich das Ganze ungefähr an. Offiziell gilt das NOC erst ab dem nächsten Tag, mit etwas freundlichem Druck und Beharrlichkeit kann man es auch für den selbigen Tag bekommen. Dazu wird man letztendlich, sobald dieser Zeit hat, zum Oberverwaltungsfuzzi gebracht und muss dessen Erlaubnis bekommen. Es handelt sich um einen freundlichen gemütlichen Mann. Der fragt beiläufig nach dem Grund und erteilt schließlich unserer ganzen Gruppe das NOC für den selben Tag. Drei Stunden später sitzen wir wieder in der Eskorte zum Polizeirevier. 
Dort angekommen beantragen wir schleunigst einen Geleitschutz für die Weiterfahrt und haben Glück, dass es noch nicht zu spät ist. Nachdem unsere Motorräder bepackt sind, geht es auch schon los, raus aus der Stadt und Richtung Sukkur. Direkt nach Multan darf man als Tourist momentan nicht fahren - den Grund wissen wir nicht.

Auf so einen LKW passen viele Dinge
Auf dieser Fahrt nach Süden sind wir nur noch zu zweit mit den Eskortenfahrzeugen. Wir werden eskortiert bis es schließlich dunkel ist und wir verkünden, dass wir müde sind. Sie hätten uns vermutlich die ganze Nacht durch weiter fahren lassen. Wir erklären wieder, sie sollen uns zur nächstgelegenen Polizeistation bringen. Dort werden wir auch ohne große Widerworte untergebracht und unterhalten uns bis spät in die Nacht mit den netten Polizisten. Teilweise kommen sie extra außerdienstlich in die Polizeistation gefahren, nur um uns zu treffen.
Am fünften Tag mit Geleitschutz verlassen wir Balochistan nach Sindh, passieren Sukkur und fahren wieder nach Norden Richtung Multan. Die bisherigen Eskorten waren wirklich gut und haben den Verkehr professionell aus dem Pickup heraus reguliert, damit wir freie Fahrt hatten. Als wir die Region Sindh verlassen und nach Punjab kommen, meinen die Polizisten bereits, dass die Polizei dort schlecht ist. Einige Kilometer mit dem Punjab Geleitschutz wissen wir auch warum. Die Polizisten regeln dort überhaupt nichts und fahren entweder in einem höllen Tempo oder kommen kaum vom Fleck. 
Als es Nacht wird, bitten wir wieder zu einem Hotel oder Polizeistation gebracht zu werden. Wir werden drei mal vertröstet und stattdessen immer wieder an die nächste Eskorte weitergegeben, bis wir uns schließlich weigern weiter zu fahren. Weil sie keine Wahl haben bringen sie uns letztendlich mürrisch zu einem Hotel. Es ist teuer, aber der Hotelbesitzer wenigsten ganz in Ordnung. Einer der Polizisten nimmt mich zur Seite und will Geld für Essen, da sie ja die ganze Nacht vor dem Hotel warten müssten. Er will 2000 Rupees, davon könnten wir zu zweit vier mal essen. Ich vertröste ihn erst mal. Als wir im Zimmer sind klopft es kurze Zeit später. Der Typ steht erneut da und will wissen, was mit seinem Geld ist. Mittlerweile hatte Miriam mit unseren Polizistenkumpels in Balochistan geschrieben und die hatten sofort mitgeteilt auf keinen Fall Geld zu geben. Er ist patzig, bekommt aber nichts und zieht letztendlich missmutig ab. 
Tag Nummer 6 gestaltet sich bereits wie die Tage zuvor, nur das wir mittlerweile keine Lust mehr haben. Als die Polizisten mal wieder im Schneckentempo dahinkriechen überholen wir einfach und machen ihnen klar, dass sie uns folgen sollen. Wir fragen schließlich jede Eskorte, wie lange wir noch durchs Land eskortiert werden. Keiner hat eine vernünftige Antwort, wir bekommen sogar gesagt, dass wir immer und überall Begleitschutz in Pakistan haben werden. Kurz vor Multan sind wir pampig und machen den Polizisten klar, dass wir keinen Bock mehr haben. Nach 6 Tagen quer durchs Land gescheucht, oft kein Frühstück und kein Mittagessen und der Aussage, dass wir nie ohne Eskorte sein werden, sind wir kurz davor das Land einfach nach Indien zu verlassen. Die Polizisten fangen an zu telefonieren und meinen plötzlich, dass wir ab Multan alleine fahren dürften. Sie sind sogar noch so nett und fahren mit uns in die Stadt zur Hauptzentrale des Mobilfunkanbieters, um eine Sim Karte kaufen zu können. Anschließend bringen sie uns auf den Highway Richtung Lahore und lassen uns gehen.
Wir wollen nicht direkt nach Lahore, sondern zuerst nach Islamabad und in den Norden. Normalerweise werden die Touristen nach Lahore gebracht und dürfen dann alleine weiter fahren. Da wir aber sowieso später auf den Weg nach Indien nach Lahore müssen, erkläre ich den Polizisten, dass wir über Faisalabad nach Islamabad fahren werden. Scheint wohl in Ordnung zu sein.
Endlich frei und wieder guter Dinge, fahren wir zuerst den Highway Richtung Lahore und biegen dann nach Norden ab. Nach ein paar Kilometern fängt es wieder an zu dämmern und wir halten an einem kleinen Straßenrestaurant. Als wir gerade essen, hält eine dicke Limousine an und ein herausgeputzter Typ quatscht uns voll, dass er Polizist wäre, hier vorbeigefahren ist und sich gewundert hat, dass dort zwei Touristen sitzen. Er will, dass wir mit ihm und seinen zwei Bediensteten zusammen dinieren. Wir hatten schon gegessen, setzen uns aber aus Freundlichkeit dazu. Er lädt uns ein bei ihm zu übernachten, was wir erst einmal gerne annehmen. Unser Essen bezahlt er auch.
Als wir dann aufbrechen, meint er plötzlich mehrmals, dass Miriam im Auto sitzen soll und sein Diener ihr Motorrad fährt. Wir machen ihm klar, dass sie seit 30000 Kilometern unterwegs ist, sicherlich besser Motorrad fährt als sein seltsamer Angestellter und sie definitiv ihr Motorrad selbst fahren wird. Nach einigem hin und her will er plötzlich, dass wir  wenigstens unser Gepäck in seinen Kofferraum räumen. Das Ganze kommt uns plötzlich ziemlich seltsam vor. Das Gepäck ist komplett am Motorrad und es macht überhaupt keinen Sinn es abzunehmen um zu seinem Anwesen zu fahren. Er sieht es schließlich ein und wir sollen ihm einfach folgen. Es ist bereits dunkel.
Zuerst fahren wir zickzack durch das kleine Örtchen, doch er fährt wie die Sau. Wir unterhalten uns kurz über das Headset und beschließen einfach abzuhauen und unseren Weg Richtung Norden weiter zu fahren. Die ganze Situation war irgendwie äußerst dubios.
Als wir an einem kleinen Anwesen mit Feldern vorbeifahren, biegen wir in den Feldweg ein und fragen einen Feldarbeiter, ob wir hier unser Zelt aufschlagen dürften. Der versteht uns nicht wirklich gut und bringt uns daher wieder zur Hauptstraße auf die gegenüberliegende Seite, wo eine Gruppe Männer gerade Cricket im Fernsehen schaut. Sie sprechen etwas Englisch und stellen uns kurzerhand die zwei einzigen Betten hin, welche sie gerade selbst zum Fernsehen benutzt hatten. Sie stehen jetzt auf dem staubigen Vorplatz direkt neben der Hauptstraße - nicht gerade ein super toller Ort zum Übernachten, aber was bleibt uns schon übrig?
Wir haben es uns gerade gemütlich gemacht, da meint plötzlich einer der Männer, wir sollen doch zu ihm nach Hause kommen. Dort wäre es deutlich schöner, als hier auf dem staubigen Parkplatz. Er wohnt in einem Dorf gleich in der Nähe. Die Sache kommt uns in Ordnung vor und so packen wir wieder unser ganzes Geraffel auf die Mopeds und folgen einer Gruppe Männer zum besagten Dorf. Besser als hier auf dem Präsentierteller ist es wohl allemal.
Das Haus ist hüsch und relativ groß mit einem sicheren Innenhof für unsere Motorräder. Sein Vater heißt uns willkommen und wir begrüßen auch diverse Schwestern und Mamas. Ein kleiner Raum ganz für uns alleine soll unser Nachtlager sein. Als sie anfangen zwei ihrer Betten in den Raum zu räumen, teilen wir ihnen mit, dass wir ohne Probleme auf unseren Isomatten schlafen können. Zwei Familienmitglieder hätten sonst mit Sicherheit auf dem Boden übernachten dürfen.

Daheim bei unserem Gastgeber
Draußen auf dem BauernhofObwohl es bereits dunkel ist, spricht es sich im Dorf schnell herum, dass zwei Fremde angekommen sind. Unser kleines Zimmer wird zum Dorftreff. Nach einer Stunde sitzen bereits ca. 30 Männer mit im Raum. Die Meisten schauen uns nur mit großen Kulleraugen an - sie können vermutlich kein Englisch. Miriam wird zu den Damen in den Hof gerufen. Sie wollen sich auch mit ihr unterhalten, dürfen aber nicht mit ins Zimmer.
Nachdem immer mehr Dorfbewohner vorbeikommen, stehen plötzlich vier bewaffnete Militär Jungs und ein Polizist höheren Rangs mit guten Englisch Kenntnissen im Raum. Sie haben mitbekommen, dass hier Ausländer sind und wollen sich einen Eindruck der Lage verschaffen. Wir sind eigentlich müde und was geht hier eigentlich verdammt nochmal ab - wir wollten doch ursprünglich nur unser Zelt auf einem Feld aufschlagen. Zuerst werden unsere Ausweise und Visas kontrolliert. Dann werden wir allerlei Dinge gefragt. Sie sind freundlich, aber wir kommen uns wie in einem Gerichtssaal vor. Die Situation ist ähnlich wie schon in Dalbandin nur mit viermal soviel Leuten in einem kleinen Raum. Eine Stunde später haben sie genug gehört und wünschen uns eine gute Nacht. Einer der Militärs bleibt vor unserem Raum sitzen um uns zu bewachen. Der Raum leert sich allmählich und wir entschuldigen uns noch bei unserem Gastgeber. Mit so einem Chaos haben wir nicht gerechnet. Er nimmt es gelassen. Nach unserem ersten halben Tag ohne Eskorte, kommen wir endlich spät in der Nacht zu Ruhe.
Am nächsten Morgen ist unser Wachdienst bereits verschwunden. Wir hatten schon befürchtet wieder im Geleitschutz zu enden. Wir werden mit Frühstück versorgt und etwas durch das Dorf geführt, wo wir viele Selfies mit den Einwohnern, den Hunden, Kühen und Ziegen machen dürfen. Die Leute sind alle unglaublich nett. 

Immer wieder Menschenauflauf
Die Dorfjungs begleiten uns wieder zur Hauptstraße. Wir halten noch zum Tanken und werden auf eine Cola und ein paar Selfies mit allen möglichen Leuten eingeladen. Anschließend sollen wir doch bitte noch für weitere hundert Selfies in den Laden einer der Jungs mitkommen. Eine Stunde später dürfen wir dann tatsächlich wieder weiter fahren. Uns kommt es vor als hätten wir in den letzten Stunden im Minutentakt mit jedem Lebewesen dieser Region Selfies gemacht. 
Zur Mittagszeit sind wir in Faisalabad - eine kleine pakistanische Stadt mit 3,2 Millionen Einwohnern und wir fahren mitten durchs Zentrum. Hier ist noch mehr Verkehr als in Quetta. Eine ganze Weile geht außer wildes Gehupe praktisch gar nichts mehr. Wir sind schließlich heilfroh, als wir wieder aus der Stadt kommen und wollen auf die Autobahn Richtung Islamabad. Leider sind Motorräder dort nicht erlaubt, obwohl die Polizei vorher behauptet hatte, dass wir dort fahren dürften. So bleibt uns leider nichts übrig, als auf der Landstraße weiter zu fahren.
In der nächsten kleineren Stadt halten wir an einem Straßenstand um ein paar Samosas (frittierte Teigtaschen mit Gemüse Füllung) zu essen. Ein netter Herr gesellt sich zu uns und besteht letztendlich darauf unsere Rechnung zu bezahlen. Zurück an den Motorrädern warten bereits einige Leute auf uns zum Selfies machen. Es dauert keine fünf Minuten und wir haben ca. 100 Leute um uns versammelt. Alle wollen die seltsamen Fremden begutachten, sich etwas unterhalten oder Selfies machen. Die Leute sind freundlich, die Situation ist ungewöhnlich aber nicht bedenklich, doch plötzlich steht die Polizei da und vertreibt die Menschenmenge.

Viele Selfies späterVerdammt noch mal - nach zwei halben Tagen stecken wir wieder in eine Eskorte. Wir folgen den beiden Polizisten, ebenfalls auf dem Motorrad, bis zu einer Brücke außerhalb der Stadt. Dort halten wir an und sollen warten. Komischer Ort zum warten, aber vielleicht kommt ein richtiges Eskorten Fahrzeug, weil es den beiden Polizisten auf dem kleinen Moped zu blöd ist. Eine viertel Stunde später hält eine Riksha an und eine Frau steigt aus zum Selfies machen. Es ist die Schwester einer der Polizisten. Er hat sie wohl angerufen um schnell ein paar Fotos zu schießen - echt spitzen Polizeiarbeit!
Ein paar Kilometer weiter werden wir wieder von einem Polizeiauto übernommen. Wir sind angepisst, aber was bleibt uns übrig. 
Als es dämmert sind wir bei Sargodha. Es ist die staubigste Stadt, die ich je gesehen habe, was vermutlich u.a. an den zahlreichen Steinbrüchen am Stadtrand liegt. Mit den Scheinwerfern lässt sich nachts fast nichts mehr erkennen, so viel Staub ist hier in der Luft. Vor Sargodha hatten wir unseren Polizisten bereits mitgeteilt, dass wir zur Polizeistation oder ins Hotel wollen. Wir werden vertröstet und diverse Male an die nächsten Fahrzeuge weitergereicht. Als wir wieder aus der Stadt fahren sind wir verdammt sauer. Miriam hält einfach an und wartet bis die Eskorte wieder umkehrt. Sie sagt, dass wir seit über einer Stunde ins Hotel wollen. Hier gäbe es kein Hotel - nur in Sargodha. "Da waren wir bereits seit über einer Stunde, aber die Arschgeigen haben uns immer nur vertröstet und schließlich an die nächste Eskorte weitergegeben. Wir fahren nirgends mehr hin außer zur nächsten Polizeistation oder bleiben einfach direkt hier an Ort und Stelle!" Die Jungs sind sichtlich verzweifelt. Sie können eigentlich nichts dafür, da sie uns gerade erst übernommen hatten, aber irgendwann muss man mal Tacheles reden. Wir fahren zurück zur Polizeistation von Sargodha.

Im Diplomatenhaus mit unseren BedienstetenDort angekommen spricht Miriam mit dem Polizeichef. Der meint, wir dürften hier nicht übernachten, doch Miriam ist immer noch grantig und verkündet, dass ihr das egal sei und sie sich mit ihrer Isomatte direkt auf den Hof lege. Der arme Mann verspricht eine Lösung zu finden und kühlt ihr gemüt erstmal mit etwas Mangosaft. Einige Telefonate und ausgefüllte Dokumente später, hat er eine kostenlose Unterkunft für uns organisiert.
Als wir in den Vorhof einbiegen ist es ein Palast. Ein Tor mit riesiger Gartenanlage und zahlreichen Dienern. Wir vermuten, dass es sich um ein Diplomaten Gebäude handelt. Unsere Mopeds parken wir zwischen den Säulen des prunkvollen Eingangsbereichs. Unsere Taschen werden für uns ins Zimmer getragen. Der Boden ist aus weißem Marmor. Wir werden in eine Art Wartesaal gebracht und ein Mann, offensichtlich der Herr des Hauses, heißt uns willkommen und bittet uns in einer halben Stunde noch für eine Kleinigkeit in den Speisesaal zu kommen. Dort angekommen nehmen wir an einer Tafel Platz und werden von zwei Dienern mit Köstlichkeiten versorgt, die für eine ganze Familie gereicht hätten. Das Kind bekommt sogar ihr Hühnchen filetiert.
Am nächsten Morgen geht es nach dem Frühstück mit Eskorte auf teilweise winzigen Straßen mit Schlaglöchern Richtung Gujrat. Wir sind wieder ziemlich genervt. Eine Eskorte ist allerdings so aufgeregt, dass sie uns unbedingt zum Tee und Kekse essen einladen wollen. Sie sind so freundlich und putzig, dass sich unsere Stimmung wieder etwas verbessert. In Gujrat erreichen wir endlich den Highway nach Islamabad und es geht wieder schneller voran. 
Kurz vor Islamabad, als der Verkehr immer dichter wird, verabschiedet sich unsere Eskorte und wir dürfen endlich wieder alleine fahren. Warum wir überhaupt auf dem Highway noch Geleitschutz hatten wissen wir nicht. Normalerweise benötigen Touristen auf dem Highway zwischen Lahore und Islamabad keine Eskorte.
Islamabad ist voller Parks und Grünflächen. Teilweise kommt man sich nicht einmal vor wie in einer großen Stadt und schon gar nicht wie in einer Hauptstadt. Wir finden ein Zimmer in einem großen Gebäude, wo jemand aus einer Privatwohnung eine Art Backpacker Hostel gemacht hat. Heilfroh, dass wir endlich in Islamabad angekommen sind, ruhen wir uns erst einmal zwei Tage aus.
Die Fahrt durch den Westen Pakistans war eine anstrengende Woche. Beim nächsten Mal wissen wir allerdings, dass wir daran hauptsächlich selbst Schuld waren - wir waren einfach zu nett. Wenn man Hunger hat oder auf die Toilette muss - einfach anhalten. Die Polizei kommt schon von alleine zurück. So muss man nicht tagelang ohne Frühstück und Mittagessen den ganzen Tag durch die Wüste fahren...

Keine Kommentare: