Samstag, 20. Oktober 2018

Das Dach der Welt

Erholt und voller Tatendrang fahren wir von Islamabad in die Berge. Bevor wir die Stadt verlassen suchen wir allerdings noch einen Geldautomaten. Einige ATM's später, viele sind leer oder geben aus unbekannten Gründen kein Geld aus, sind wir endlich bereit unsere Reise fortzusetzen, als uns zwei junge Männer ansprechen und uns unbedingt auf ein Getränk einladen wollen. Eine halbe Stunde später verabschieden wir uns und werden darum gebeten uns zu melden, wenn wir wieder auf dem Rückweg in Islamabad vorbeikommen.

Samosa Stand in MurreeEine kleine Passstraße schlängelt sich die Berge hinauf nach Murree. Diese Gegend ist Naherholungsgebiet für die Menschen in Islamabad. Besonders am Wochenende kommen Viele hierher, um in der kühleren, dicht bewachsenen Hügellandschaft der Hitze im Tal zu entkommen. Dementsprechend ist es auch ziemlich voll und sehr teuer.
Wir drehen eine kleine Runde durch das Städtchen, fahren dann aber eine kleine Nebenstraße entlang Richtung Muzaffarabad.
Nach ein paar Kilometern werden wir in einem kleinen Dörfchen zum Essen eingeladen. Als wir dort schließlich weiter fahren, dämmert es bereits und wir müssen nach einer Übernachtungsmöglichkeit Ausschau halten. Unsere Straße verläuft direkt am Hang entlang und es gestaltet sich schwierig einen Stellplatz für das Zelt zu finden. Wir biegen daher in eine noch kleinere Nebenstraße ein, enden aber nach ein paar abenteuerlichen Serpentinen in einer Sackgasse mit Privatgrundstücken. Als wir gerade umständlich umdrehen, kommt eine Frau aus einem der Grundstücke und fragt, was wir hier machen. Nachdem wir erwidern, dass wir einen Platz für unser Zelt suchen, hört man schon ihren Mann rufen, wir sollen doch bitte bei ihnen übernachten. Wir überlegen noch kurz etwas, aber unser Gepäck wird schon abgemacht und ins Haus getragen, es gibt keine Widerrede mehr.

Zu Gast in MurreeSauber machen muss auch mal sein...Wir bekommen einen eigenen Raum. Das Haus hat eine riesige Terrasse und Blick auf das ganze Tal. Am nächsten Tag werden wir gebeten doch noch zu bleiben, daher nutze ich die Zeit um unsere Motorräder etwas sauber zu machen und die Ketten zu schmieren. Leider spricht die Familie kaum Englisch - am Besten noch die beiden Kinder, welche aber tagsüber in der Schule sind.
Nach dem Frühstück am nächsten Tag fahren wir weiter bis wir an einem Polizeiposten angehalten werden. Wir benötigen ein NOC, wird uns erklärt, da wir ab hier Kashmir betreten. Etwas verwundert und ein Blick auf die Karte zeigt, dass wir tatsächlich ein kleines Stück Kashmir auf dieser Route durchqueren müssen. Ein NOC haben wir natürlich nicht und das gibt es auch nur in Islamabad. Also bleibt uns leider nichts anderes übrig, als den etwas weiteren Weg über Abbottabad zu nehmen.

Affen auf dem Weg nach AbbottabadWir tuckern die komplette Strecke zurück nach Murree und fahren anschließend durch den Ayubia Nationalpark wieder nach Norden. Obwohl die Landschaft und das Klima nicht tropisch ist, gibt es hier jede Menge Affen und das Kind fühlt sich wie daheim. Der Ausblick auf die Täler ist fantastisch, aber leider zieht ein Unwetter auf.
Gerade als wir noch denken wir könnten dem Regen entkommen, fängt es an wie aus Eimern zu schütten. Unsere Regenbekleidung hatten wir natürlich noch nicht angezogen, weshalb wir verzweifelt unter einem kleinen Baum kauern. 
Nach ein paar Minuten - wir sind mittlerweile ziemlich nass - kommen plötzlich zwei Motorradfahrer vorbei und stellen sich zu unserem Entsetzen mit unter den lächerlichen Baum. Es sind Hamdan und Ibrahim aus Lahore. Wir stellen recht schnell fest, dass unser Regenschutz so keinen Wert mehr hat und beschließen zum nächstbesseren Unterstand weiterzufahren.
Ein kleines Teehäuschen neben der Straße bietet schließlich ein schützendes Vordach. Wir wärmen uns mit einem Tee und unterhalten uns ein paar Worte. Nachdem die beiden Jungs bemerken, dass wir eigentlich noch keinen wirklichen Plan für Nordpakistan haben, schlagen sie uns vor sie zu begleiten. Was gibt es Besseres als ein paar Locals die einem die Gegend zeigen - und so schließen wir uns natürlich gerne an.
Nachdem der Regen etwas nachgelassen hat, fahren wir die restlichen Kilometer nach Abbottabad. Ursprünglich wollen unsere beiden Begleiter noch weiter fahren, aber wir stecken dermaßen im dichten Stadtverkehr fest, dass es bereits dunkel wird.

Wechselhaftes Wetter vor dem Babusar PassUnser Dorf zum Übernachten unmittelbar am Babusar PassAm nächsten Morgen ist das Wetter sehr wechselhaft. Immer wieder fängt es an zu regnen und zwischendurch scheint wieder kurzfristig die Sonne. Der ganze Tag besteht aus nass werden und trocknen. 
Unser Plan war vor der Schließung noch über den Babusar Pass zu kommen, doch letztendlich waren wir zu spät. Hamdan fällt noch mit seinem Motorrad um und wir müssen den Kofferträger schweißen lassen. Somit müssen wir in dem kleinen Dorf unmittelbar vor dem Pass übernachten. Sobald die Sonne verschwindet wird es hier bereits unangenehm kalt. Die Menge an Decken in unserem einfachen Zimmer lässt das bereits vermuten. Die ganzen Dorfbewohner haben Wolldecken umgeworfen um sich vor der kommenden Kälte zu schützen. Aus diesem Grund sitzen wir auch nicht mehr sehr lange nach dem Abendessen und begeben uns lieber ins einigermaßen warme Bett.

Die Passhöhe ist schrecklich kalt
Posing mit traditioneller Hunza KopfbedeckungDie Babusar Passhöhe beträgt fast 4200 m. Am höchsten Punkt angekommen ist es extrem windig und noch viel kälter als bereits schon unten im Tal. Während der normale Tourist hier mit Daunenjacke steht und friert, gibt es auch den ein oder anderen Einheimischen, der sich hier tatsächlich im T-Shirt wohlzufühlen scheint.
Wir machen mit den einheimischen Touris ein paar Selfies und fahren dann schleunigst wieder auf der anderen Seite des Passes in den Windschatten. Bis ins Tal sind es fast 3000 m geschlängelte Passstraße durch urige kleine Bergdörfer. Die Sonne kommt wieder etwas heraus und wir können uns endlich aufwärmen. Kurz nach Chilas biegen wir wieder auf den Karakorum Highway und fahren nach Norden.

Bergsee kurz vor PassuNach einigen Kilometern kommen wir nach Jaglot. In Jaglot treffen die drei höchsten Gebirge der Welt aufeinander - Himalaya, Karakorum und Hindu Kush. In der Ferne kann man den berüchtigten Nanga Parbat (8125 m) aufgrund der Wolken leider nur erahnen.
Unser Ziel ist ein Hotel in Passu. Nachdem wir Gilgit passiert haben wird bereits klar, dass wir das nicht schaffen werden. Hamdan hat noch einen platten Reifen und als wir im nächsten größeren Örtchen an einer Tankstelle in Ali Abad stehen, ist es bereits stockdunkel. Ein etwas hyperaktiver Einheimischer bringt uns zu einem kleinen günstigen Hotel, dass gerade kräftig renoviert wird. Daher ist der Preis wohl gerade sehr niedrig, allerdings haben sie eine fantastische Frühstücks Terrasse mit direktem Blick auf den 7788 m hohen Rakaposhi. Leider ist es immer zu wolkig um ihn komplett sehen zu können.
Mit gefüllten Bäuchen rollen wir schließlich nach Passu. Bevor man in den Ort kommt sieht man bereits links den mächtigen Passu Gletscher und nördlich des Dorfes strecken sich die Passu Cones in den Himmel. Mit nur knapp über 6000 m sind diese zwar vergleichsweise nicht sehr hoch, aber der ganze Berg besteht aus kleinen Kathedralen die alle verschachtelt und ineinandergesteckt einen unvergleichlichen Anblick bieten.

Chapursan Valley erinnert an das Pamir Gebirge
Unser Homestay im Chapursan ValleyWir tuckern weiter nach Sost, dem letzten größeren Örtchen vor der chinesischen Grenze, und biegen dann in eine kleine Schotterstraße ins Chapursan Valley. Das kleine Sträßchen ist eine Sackgasse und führt durch winzige Bergdörfer bis fast nach Afghanistan. Die Gegend erinnert stark an das tadschikische Pamirgebirge und, wenn man auf die Karte schaut ist das auch nicht verwunderlich - wir sind wieder ganz nah an Tadschikistan, wo wir bereits einige Monate zuvor schon waren. Nur der schmale afghanische Wakhan Korridor mit wenigen Kilometern Breite liegt noch dazwischen. 
Unsere Biker Kumpels aus Lahore
Einsame Gegend im Chapursan ValleyNach 2 Stunden spannende Fahrt ist es bereits wieder recht spät und wir suchen nach einer Unterkunft. Ein großer Mann kommt uns mit einem Pickup entgegen - es ist das einzige Auto weit und breit - und zeigt uns sein kleines Homestay. Er ist auch der Einzige hier, der gut Englisch spricht. Als wir uns eingerichtet haben wird es bereits sehr frisch. Mit langer Wollunterwäsche und Daunenjacke schlürfen wir einen Tee auf der Terrasse. Daneben steht ein kleines Mädchen. Sie ist vielleicht 4 Jahre alt und trägt ein T-Shirt, ein kurzes Röckchen und steht barfuß auf dem Steinboden. Das Wort frieren kennt sie offenbar nicht.
Der Besitzer des Homestays ist Touren Guide für diese Gegend und hat damals auch beim Lonely Planet für diese Gegend mitgeholfen. Er meint wir können am nächsten Morgen ohne Permit weiter bis zum nahegelegenen Gletscher fahren, aber danach käme Militär an denen wir nicht passieren könnten.
Nach dem Frühstück fahren wir die wenigen Kilometer zum Gletscher. Leider ist er zu weit von unserer Strecke entfernt um dort kurz hinzulaufen. Die Gegend ist wild und einsam. In ein paar Tagen wird der erste Schnee kommen und dann ist das Tal von der Außenwelt quasi ausgeschlossen. Auf die Frage, was die Bewohner machen, wenn im Winter jemand ernsthaft krank wird, meint der große, kräftige Mann nur trocken: "Menschen müssen sterben, das ist nun mal so!" - das Kind bekommt große Kulleraugen...

Die berüchtigte Straße nach ShymshalShymshal ValleyGegen Mittag erreichen wir wieder den Karakorum Highway. Wir essen eine Kleinigkeit in Sost. An der Speisekarte kann man bereits erkennen, dass China ganz nah ist. Anschließend rollen wir zurück nach Passu und biegen ins Shymshal Valley ein. Das Tal ist am Anfang sehr schmal. Wir fahren direkt neben dem reißenden Fluß und den hohen Felswänden. Die Streckenbedingungen werden nach ein paar Kilometern deutlich ausgesetzter, als die Straße schließlich hunderte Meter über dem Fluß durch das Tal führt.  Sie ist gerade so breit, dass ein Auto darauf fahren kann. Manchmal gibt es Verbreiterungen um dem Gegenverkehr auszuweichen. Zahlreiche spannende Hängebrücken lassen einen ständig die Talseite wechseln. Leitplanken oder Zäune gibt es hier nicht. Von der Straße abzukommen sollte man hier definitiv vermeiden. 
Je weiter man Richtung Shymshal fährt, desto weitläufiger wird das Tal. Auf ca. halber Strecke passieren wir einen pechschwarzen Gletscher. Auch diese Straße ist eine Sackgasse und die komplette Strecke bis nach Shymshal beträgt ca. 50 Kilometer. 
Hängebrücke nach ShymshalDie beeindruckenden Passu ConesMan kann nicht wirklich schnell fahren und so ist es bereits dunkel als wir im kleinen Dorf ankommen. Nach dem Abendessen sitzen wir im Garten um ein kleines Lagerfeuer. Ein paar Einheimische gesellen sich dazu. Fast alle hier in Shymshal sind Bergsteiger. Die Einen organisieren Jagdtouren, die Anderen meinen beiläufig, dass sie für die Expeditionen  am K2 u.A. Fixseile installieren. Nach einiger Zeit frage ich, ob sie nicht auch gerne mal auf den Gipfel des K2 steigen würden, wenn sie denn dort schon arbeiten. Als Antwort kommt nur trocken, dass sie dort schon zweimal waren.
Allmählich wird uns klar, dass hier in Shymshal eine Menge bescheidener weltklasse Bergsteiger wohnen. Sie alle begleiten die großen internationalen Expeditionen, aber erwähnt werden sie eigentlich nie.
Hamdan und Ibrahim treten am nächsten Tag ihre Heimreise nach Lahore an. Da wir noch ein paar Fotos machen und die Strecke zurück eher gemütlich angehen wollen, verabschieden wir uns von den Jungs. Wir werden sie später wieder in Lahore besuchen. Zurück in Passu quartieren wir uns in ein kleines Hotel ein.

An der chinesischen Grenze
Sost - das letzte Örtchen vor der chinesischen GrenzeNach dem Frühstück am nächsten Morgen machen wir eine Tour zur chinesischen Grenze. Die Grenze liegt auf 4700 m und der Weg dort hin führt durch den Khunjerab National Park. Es ist zu dieser Jahreszeit nicht mehr viel Verkehr. Nur auf die Yak Herden muss man aufpassen, welche manchmal direkt hinter einer Kurve gemütlich auf der Straße spazieren gehen. Der letzte Anstieg bis zur Grenze ist eine steile Zickzack Straße. Die Grenzgebäude selbst sind auf einer kleinen Hochebene. Neben dem Zollhaus steht ein Geldautomat mit der Aufschrift höchster ATM der Welt. Ich versuche zum Spaß erfolglos etwas Geld abzuheben. Es liegt noch kein Schnee, doch die Temperatur ist bereits bei knapp O°C. Ein schneidender Wind macht die ganze Gegend nicht gerade angenehmer. Die wenigen Menschen hier versammeln sich um einen alten Lastwagen, welcher heiße Getränke und Snacks verkauft. Wir werden dort zu einem heißen Tee eingeladen, bis der Besitzer des Lastwagen-Shops plötzlich meint, dass schlechtes Wetter aufzieht und wir besser wieder ins Tal fahren sollten. 
Aufgrund der Kälte und des geringen Sauerstoffs springen unsere Mopeds nur noch schlecht an. Als wir schließlich das erste steile Passstück wieder hinunter fahren, sieht man bereits eine große Wolke voller Schnee heranziehen. Es war ein guter Rat die Passhöhe schnellstmöglich zu verlassen.
Wir machen uns auf den Weg zurück nach Gilgit. Zwischendurch übernachten wir wieder im selben Hotel in Ali Abad, wie bereits bei der Fahrt in den Norden. Wie bekommen den Tip ins Hopar Valley zu fahren um den Hopar Glacier zu sehen. Die winzige Passstraße führt erneut ca. 20 Kilometer in eine Sackgasse. Wir benötigen fast 1,5 Stunden und als wir schließlich ankommen ist es bereits nachmittags. Ein netter Guide erzählt uns von einer Wanderung zum nächsten Gletscher, welcher angeblich schneeweiß sein soll. Zwei Stunden hin und 1,5 Stunden wieder zurück würde gerade noch reichen, aber wir müssen vor Dunkelheit wieder hier sein. Wir erinnern uns - Zeitangaben in den Alpen sind normalerweise eher großzügig - das sollte daher kein Problem sein.

Der mächtige Hopar Gletscher
Zuerst geht es direkt über den Hopar Gletscher hinweg. Steht man erst einmal auf dem Gletscher selbst, bemerkt man, wie groß dieser eigentlich ist und wie schwierig es ist den Weg zu finden. Alle Richtungen sind einfach nur noch Eis. Ein paar spärliche Steinmännchen zeigen uns schließlich den Weg. Obwohl wir relativ zügig unterwegs sind, können wir nach zwei Stunden den weißen Gletscher zwar von oben sehen, aber am Gletscher selbst sind wir noch lange nicht. Will man das in zwei Stunden schaffen, muss man den Weg kennen und fast joggen. Wir müssen daher vorher umkehren. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit sind wir auch wieder am Parkplatz zurück und rollen die Passstraße wieder ins Tal.

Ein Bergdorf im Harmosh ValleyAm nächsten Morgen passieren wir Gilgit und biegen anschließend Richtung Osten ab nach Skardu.
Aus dem relativ guten und asphaltierten Karakorum Highway wird eine teils ungemütliche Dreckstraße nach Skardu. Hier wird momentan Überall gebaut um die Strecke zu verbreitern. Nach ein paar Kilometern biegen wir auf eine winzige Passtraße ab ins Haramosh Valley. Nach vielen mühsamen Serpentinen voller Steinbrocken enden wir schließlich in einem kleinen Dorf. Hier scheint es nicht mehr wirklich weiterzugehen. Die Dorfbewohner versammeln sich und rufen jemanden, der ein paar Worte Englisch spricht. Miriam bekommt von den Damen Schmuck geschenkt. Obwohl sie ihn gar nicht annehmen möchte, hat sie diesbezüglich keine Wahl. 
Wir müssen umkehren und werden von zwei Männern auf dem Motorrad zurück zur Hauptstraße nach Skardu begleitet.

Das Kind hat Reifen plattFür die 150 Kilometer nach Skardu benötigen wir deutlich länger als angenommen. Es ist relativ viel Verkehr, die Straßenverhältnisse sind schlecht und es wird immer wieder gesprengt. Das bedeutet dann warten, bis ein Bagger wieder die Straße freigemacht hat und kann zwischen 1 bis 6 Stunden dauern. Schlaue Einheimische haben daher auch schon teilweise provisorische Verkaufsstände mit z.B. Früchten eingerichtet.
Einer der Herren will uns dann unbedingt zum Tee einladen. Als wir weiterfahren wollen ist Miriams Hinterrad platt. Zum Glück gibt es aber wenige Meter weiter einen Motorrad Service - so muss ich nicht mein ganzes Werkzeug auf der Straße auspacken. Drei alte Felgen aufeinander zum Hochbocken und eine halbe Stunde später, ist Miriams Reifen wieder prall - Kostenpunkt 100 pakistanische Rupien was ca. 60 Cents entspricht. Nach der Reparatur ist es allerdings bereits dunkel. Daher rollen wir die wenigen Meter zurück zum Ort, wo wir zuvor brereits Tee hatten und nehmen dort ein günstiges Motel Zimmer.

See bei SkarduDie Kaltwüste in SkarduNach einer geruhsamen Nacht fahren wir die restliche Strecke nach Skardu. Skardu ist der Ausgangspunkt für alle Wanderungen und Expeditionen rund um den K2. Jeder der zum K2 will kommt daher unweigerlich über Skardu und fährt dann weiter nach Askole. Es ist ein ziemlich belebtes Städtchen. Eigentlich wollen wir über den Deosai Nationalpark nach Süden fahren, doch dieser ist bereits wegen Schnee geschlossen. Als wir die Einheimischen zum Straßenzustand nach Askole fragen, wird uns auch von dieser Strecke abgeraten. Wir sind leider etwas zu spät im Jahr. Auch der K2 Trek ist zu dieser Jahreszeit leider nicht mehr möglich. Uns bleibt daher nichts übrig, außer die Strecke zurück zum Karakorum Highway zu fahren, welche wir bereits gekommen waren. Etwas enttäuscht suchen wir uns daher einen Platz für unser Zelt.
Direkt neben Skardu befindet sich die Katpana Cold Desert, eine Kaltwüste mit tollen Sanddünen und fantastischem Ausblick auf die umliegenden Berge. Die Kaltwüste grenzt an einen See und dort finden wir einen kleinen Hain, welcher einen perfekten Zeltplatz bietet. 
Tags darauf besteigen wir die Sanddünen und machen uns dann allmählich wieder auf den Rückweg.

Warten auf das Räumkommando nach einer SprengungAuf halber Strecke zurück ist wieder eine Straßensprengung. Bevor wir dort überhaupt ankommen, rät uns bereits ein Einheimischer zuerst irgendwo einen Tee zu trinken, da die ganze Aktion noch eine Weile dauern wird. Als wir ein Schild mit der Aufschrift "Canteen" passieren und dort jede Menge Leute sitzen, parken wir unsere Motorräder, setzen uns dort an einen Tisch und bestellen Tee. Nach einiger Zeit bezahlen wir und fahren bis zum Ort der Sprenung um uns ein Bild von der Situation zu machen. Wir warten ca. zwei Stunden und beschließen, als es schon wieder dämmert, wieder zur Kantine zurückzufahren, dort um eine Übernachtungsmöglichkeit zu fragen und Abend zu essen. Als wir wieder vor der Kantine anhalten, hält ein Auto neben uns und meint, das wäre kein Restaurant und wir sollen ihnen folgen. Zuerst schauen wir uns etwas verdutzt an - wir hatten doch dort vorher bereits Tee ganz normal bestellt? Letztendlich ignorieren wir die Aussage des vorbeifahrenden Autos und setzen uns ganz normal wieder in das Restaurant um etwas zu essen. Als wir nach der Speisekarte fragen, gibt es keine - "ja was gibt es denn?" - "evtl. Rührei" - "Ja wenn es sonst nichts gibt, Rührei ist auch ok!" - komisches Restaurant hier. Wir bekommen Rührei und sie organisieren extra noch etwas Dal von der anderen Straßenseite. Ein paar Jungs fragen schüchtern, ob sie sich dazusetzen dürfen. Wir fragen wie es hier mit Übernachtung aussieht und ob wir unser Zelt hier einfach auf dem Hof aufschlagen dürften. "Vermutlich würde das gehen, aber vielleicht gibt es noch eine bessere Möglichkeit in der Militär Kaserne." - "Kaserne, welche Kaserne?" - "Ja das Gebäude auf der anderen Straßenseite. Wir sitzen hier in der Kasernen Kantine!" - "Ach das ist kein Restaurant?" - "Nein". Kein Wunder ist die Speisekarte so spärlich, aber uns hat auch niemand gesagt, dass das kein Restaurant ist. Wahrscheinlich haben sie einfach gedacht, dass der Aufwand geringer ist die doofen Touristen einfach im Glauben zu lassen es sei ein Restaurant, als ihnen mühsam zu erklären, dass es sich um eine Kasernen Kantine handelt. Wir entschuldigen uns für das Missverständnis, die Jungs nehmen es gelassen und freuen sich eher, dass wir uns hierher verirrt haben. Bezahlen müssen wir nichts - ist ja auch kein Restaurant. Nach einiger Zeit kommt ein Soldat von gegenüber  und meint er hätte einen Schlafplatz für uns organisiert. Wir bekommen ein kleines Zimmer mit Bad zugeteilt. Als wir am nächsten Morgen bezahlen wollen, kostet es ebenfalls nichts.
Zum Glück können wir am Morgen die Baustelle vor der nächsten Sprengung hinter uns lassen. Wieder auf dem Karakorum Highway, fahren wir bis Jaglot und essen dort zu Mittag. Das Wetter ist ziemlich gut. Ein paar Kilometer weiter kommen wir zu einem Aussichtspunkt auf den Nanga Parbat - er ist wolkenfrei. Wir ändern daher unseren Plan und fahren statt nach Astore zu Fairy Meadows unterhalb des mächtigen Nanga Parbat.

Die letzten Kilometer nach Tattu
Als wir an der Abzweigung nach Tattu kurz anhalten, stehen ein paar Einheimische da und wollen Geld für die Straßenbenutzung. Sie gehören zum Jeep Service und kümmern sich um die "Straße" dorthin. Wir sind froh, dass sie uns überhaupt passieren lassen, da wir gehört hatten, dass man die Strecke normalerweise nicht unbedingt mit eigenem Fahrzeug benutzen darf. Wir bezahlen brav, sie fragen nochmals ob wir wissen was wir tun und verabschieden sich freundlich.
Der Zustand der kleinen Passstraße ist durchaus als abenteuerlich zu bezeichnen. Es ist kein Vergleich zu den Straßen zuvor. Große, lose Feldbrocken liegen überall und die Straße ist teilweise extrem steil. Zum ersten Mal wünschen wir uns etwas mehr PS. Wenn man am Hang steht und der Motor es, auch im ersten Gang, nicht mehr schafft das Hinterrad zu drehen, ist man definitiv am Leistungslimit des Motorrads angekommen. Dass es seitlich hunderte Meter ohne Straßenbefestigung in die Tiefe geht, macht das Ganze dann nicht wirklich angenehmer. 
Kurz vor Tattu wird die Fahrt dann zum Glück wieder etwas angenehmer und man kann den tollen Ausblick wieder genießen.
Die Strecke ist wieder eine Sackgasse und kurz hinter Tattu endet sie an einem Fluß. Ab hier muss man die restlichen Kilometer nach Fairy Meadows laufen. Ein Polizist ist so freundlich unser Gepäck in seiner Hütte unterzubringen. Die Motorräder parken wir einfach am Ende der Straße.

Toller Ausblick auf Nanga ParbatDie Wanderung nach Fairy Meadows ist steil und anstrengend. Laut Einheimischen ist hier mittlerweile in der Hochsaison die Hölle los. Zu dieser Jahreszeit sind wir allerdings ganz allein. Nach 2/3 der Strecke geht der Weg durch einen kleinen Wald. Hier stehen ein paar wenige Hütten mit Unterkünften und Restaurants, die aber alle bis auf eine geschlossen sind. Dort sitzen drei Polizisten. Wir haben gemeinsam einen Doodh Pati Chai (Schwarzer Tee aus Milch) und sie begleiten uns anschließend den restlichen Weg bis Fairy Meadows. 
Auch dort ist es fast menschenleer und wir bekommen einen fantastischen Zeltplatz auf einer Wiese ganz allein mit direktem Blick auf den Nanga Parbat. Abends fällt die Temperatur dann auf fast null Grad und wir sind froh, dass es einen Aufenthaltsraum mit Ofen gibt.

Kurz vor dem Base Camp 1Tags darauf machen wir eine Tageswanderung zum Base Camp. Vor ein paar Jahren sind ein paar Touristen auf der anderen Seite des Berges getötet worden, daher bekommt man automatisch Begleitschutz für alle Wanderungen in Fairy Meadows. Unser Guide ist 52 Jahre alt, hat einen Rauschebart und sieht zuerst nicht besonders wandermotiviert aus. Natürlich ist er mit Kalaschnikow unterwegs. Während der Wanderung taut er langsam auf und schlägt dann selbst vor den weiteren Weg zum Base Camp zu laufen. Anfangs waren wir nicht sicher, ob man dort noch hinlaufen kann, da uns eine andere Gruppe erzählt hatte, es gäbe bereits zu viel Schnee.

Auf dem Weg zum Base CampUnterwegs greifen wir noch ein polnisches Pärchen auf, deren Guide wohl keine Lust hatte so weit zu laufen. Je höher wir kommen desto mehr Schnee liegt überall und man hat ständig Blick auf den gewaltigen Raikhot Gletscher. Am Base Camp 1 liegt bereits überall ca. 20 cm Schnee. Eine Gedenktafel erinnert an den Erstbesteiger Herman Buhl. Nanga Parbat ist nicht der höchste der 8000er, aber hier sind mit Abstand die meisten Bergsteiger gestorben. Daher nennen ihn die Einheimischen auch einfach schlicht Killer Mountain. Das Base Camp 1 liegt auf "nur" 4000 m. Blickt man empor zum Gipfel sieht es eigentlich gar nicht mehr so weit aus. Macht man sich allerdings klar, dass es bis zum Gipfel noch höher ist, als von Meereshöhe zum Base Camp 1, wir einem erst klar wie mächtig die Hauptwand eigentlich ist.

Der mächtige Raikhot Gletscher und rechts Nanga ParbatAllmählich schlägt das Wetter um und es sieht nach Schnee aus. Daher müssen wir schleunigst den Rückweg antreten. Nach ein paar hundert Meter sehen wir ein Pferd frei herumrennen. Unser Guide erklärt uns, dass diese Pferde von den Expeditionen benutzt werden, um die Ausrüstung zum Base Camp zu transportieren. Es muss wohl ausgebüchst sein und wir müssen es versuchen mit ins Tal zu nehmen, sonst wird es bei dem aufkommenden schlechten Wetter erfrieren. Wir umkreisen das Pferd behutsam und unser Guide wirft ihm seinen Schal um den Hals. Nach einem kurzen Kampf hält es erst einmal still, stellt sich jedoch stur und will nicht laufen. Miriam soll das Pferd zuerst reiten, doch es bewegt sich kein Stück. Daher steigt Miriam wieder ab und er drückt mir den Schal in die Hand um kräftig zu ziehen, während er dem armen Gaul von hinten auf den Hintern haut. Letztendlich muss er sogar den Schaft seiner Kalaschnikow zum Schlagen benutzen - das dumme Pferd will anders einfach nicht laufen.

Auf dem Rückweg mit dem sturen GaulFast auf dem GipfelAls es sich dann endlich missmutig in Gang setzt, beginnen wir den mühsamen Abstieg nach Fairy Meadows. Der Rückweg führt einige Kilometer sehr steil am Hang entlang. Der Pfad ist so schmal, dass ein Pferd eigentlich kaum darauf laufen kann. Immer wieder weigert es sich weiter zu gehen, was damit endet, dass ich vorne am Schal wie ein Ochse ziehe und Miriam und unser Guide dem Pferd auf den Hintern hauen. Das Mädel von dem polnischen Pärchen bekommt die Kalaschnikow in die Hand gedrückt.
Als es sich an einer besonders steilen Stelle mal wieder stur stellt, rutscht es letzendlich aus und fliegt kopfüber einige Meter den Hang hinunter. Zum Glück bricht es sich nichts, aber man kann ihm den Schock förmlich ansehen. Obwohl es zunächst nicht schön anzusehen war, scheint sein Wille danach gebrochen zu sein und es beginnt endlich alleine zu laufen. Unser Guide geht schließlich mit dem Pferd am Schal voraus, Miriam hält den Schwanz, was ihm offenbar mehr Sicherheit vermittelt und ich passe auf, dass es nicht seitlich ausbrechen will. Nach ein paar Kilometern verlässt der Wanderweg den Hang und führt wieder unter guten Bedingungen auf einer Ebene zurück nach Fairy Meadows. Ab hier läuft unser Pferd dann sogar von alleine und wir müssen nur noch ab und an aufpassen, dass es nicht seitlich ausbüchst.

Abstieg ins Tal
Gleicher Zeltplatz am nächsten MorgenAls wir wieder an unserem Zelt ankommen ist es fast schon dunkel. Es ist bereits deutlich kälter geworden und wir ziehen uns wieder in den warmen Aufenthaltsraum zurück.
Die Nacht ist grenzwertig kalt. Uns wird später mitgeteilt, dass die Temperatur bei -10 °C war. Als ich morgens aus dem Zelt gehen will, trifft mich fast der Schlag. Es hat 20 cm Neuschnee und sieht aus, wie im tiefsten Winter. Wir machen uns Sorgen, dass unten auf der schwierigen Passstraße, wo unsere Motorräder parken, ebenfalls Schnee liegt. Die Strecke wäre bei Schnee eigentlich nicht fahrbar. Daher machen wir uns nach dem Frühstück relativ schnell auf den Rückweg zu unseren Bikes.
Als wir dort ankommen liegt dort zum Glück noch kein Schnee - es ist nur etwas nass. Abwärts fahren ist für uns allerdings deutlich einfacher als bergauf und so stehen wir nach knapp einer Stunde wieder im Tal auf dem Karakorum Highway.
Unsere Freunde aus Lahor hatten uns bereits mitgeteilt, dass der Babusar Pass über den wir in den Norden gefahren sind, bereits wegen Schnee gesperrt ist. Aus diesem Grund müssen wir den längeren Weg über den Karakorum Highway nach Süden fahren. Wir verbringen eine Nacht in Chilas und fahren dann weiter Richtung Besham. Die Straße ist eine mittlere Katastrophe. Dichter Verkehr und überall Baustellen, an denen man ständig längere Zeit warten muss.

Bergdorf vor BeshamNicht alle schaffen es über den Karakorum HighwayKurz vor Besham wird die Straße kleiner und schlängelt sich spektakulär durch das immer enger werdende Tal, kleine Dörfer und schließlich am Hang entlang. Nach einer scharfen Kurve stehen plötzlich lauter Leute auf der Straße. Was ist hier los - aha die Jungs spielen Cricket. Vielleicht nicht der beste Platz, aber es gibt auch sonst keine Möglichkeit irgendwo Cricket zu spielen.
Besham gilt als etwas unsicher. Wir hatten schon zuvor gehört, dass man für diesen Abschnitt des Karakorum Highways wieder Eskorte bekommen soll. Als wir einige Kilometer vor der Stadt einen Polizeiposten passieren, heißt es dann auch prompt, wir sollen auf die Eskorte warten. Wir geben zu vestehen, dass wir keine Eskorte brauchen. Die Polizisten sind zwar zuerst etwas verwundert, meinen dann aber schließlich, dass wir auch ohne Begleitschutz weiter dürften. Erleichtert fahren wir in die Stadt - es ist bereits dunkel. 
Als ich gerade ein Hotelzimmer klar gemacht habe und wieder zu Miriam zurück komme, stehen dort bereits eine Hand voll Männer um sie herum. Einer von ihnen meint, wir sollen doch bitte bei ihm zu Hause übernachten. Der Hotelbesitzer ist wenig begeistert und gibt zu verstehen, dass das hier nicht erlaubt sei. Der Mann erwidert, dass er hier in der Stadt bekannt sei und das mit der Polizei kläre. Das gibt uns letztendlich auch das Gefühl, dass die Sache in Ordnung ist.
Die Polizei registriert kurz unsere Pässe und wir folgen unserem Gastgeber nach Hause.

Mal wieder ein Menschenauflauf auf dem Weg nach IslamabadMubarak ist das Familienoberhaupt einer ca. 50 köpfigen Familie. Alle wohnen in verschiedenen Häusern und man kann die Siedlung am Stadtrand schon fast als kleines Dorf bezeichnen. Er sieht aus wie ein Bilderbuch Pakistani mit Rauschebart und arbeitet die meiste Zeit abseits seiner Familie in Saudi Arabien. Sein Verhalten kann man als konservativ bezeichnen und so bekommen wir die Chance eine typisch konservativ pakistanische Familie zu besuchen. Dementsprechend chefig benimmt er sich auch. Die Frauen dürfen nicht mit uns im Raum sitzen, sondern servieren eigentlich nur das Essen.
Nach dem Frühstück am nächsten Tag "müssen" wir seine Familie besuchen. Wir gehen in alle Häuser, werden vorgestellt und machen natürlich Selfies. Seine Familie ist sehr nett. Eine Frau hat mit 34 Jahren bereits 9 Kinder - dafür hat sie sich wirklich noch gut gehalten. Miriam bekommt eine traditionelle Henna Bemalung auf ihre Hände. Leider darf ich hier kein Bild reinstellen, weil sie darauf angeblich doof aussieht.
Nach einer anstrengenden Familienschau wollen wir unsere Reise fortsetzen. Mubarak will uns gerne noch ein paar Tage behalten, aber wir beschließen lieber gegen seinen Willen weiter zu fahren. Irgendwie ist die ganze Situation dort etwas schräg. Man sieht im danach auch an, dass ihm das jetzt nicht passt. 
Anschließend tuckern wir wieder über Abbottabad zurück nach Islamabad.

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