Schon mal auf der Autobahn mit 100 Sachen einen Truck überholt und als du auf der Höhe der Fahrerkabine bist wird dir plötzlich ein Glas Wasser entgegengestreckt? Du versuchst dem Fahrer klarzumachen, dass du auf der Autobahn bist, ziemlich schnell fährst und du auch mit der linken Hand über Kreuz - die rechte Hand gibt ja Gas - das Glas nur schlecht entgegennehmen kannst. Der Fahrer versteht schnell, die Hand verschwindet wieder in der Fahrerkabine, erscheint aber wenige Sekunden später wieder und präsentiert einen Granatapfel. Du musst unweigerlich lachen, der Fahrer auch. Willkommen im Iran dem freundlichsten "Gefängnis" der Welt.
Die Grenze auf der aserbaidschanischen Seite ist ziemlich modern. Das Kind ist etwas pampig und jammert, dass es kein "blödes" Kopftuch tragen will und überhaupt will es am liebsten einfach schnell durch den Iran durchfahren. Ich ignoriere es erst einmal gekonnt und lass es vor sich hin brabbeln.
Wir werden samt Motorrädern mehrer Male fotografiert und sollen irgendeine Road Tax und Versicherung bezahlen. Road Tax für nur einen Tag und Versicherung beim verlassen des Landes - na ganz toll. Nach einigem Hin und Her machen wir dem Zöllner schließlich klar, dass wir eine grüne Versicherungskarte haben. Er begutachtet sie von der Ferne, aber schaut nicht einmal genau nach, ob diese auch für Aserbaidschan gültig ist. Die Road Tax bezahlen wir auch nicht, sondern stellen uns einfach dumm und fahren mit Kopftuch "bewaffnet" zum letzten Checkpoint vor der iranischen Seite. Sie lassen uns einfach passieren. Vielleicht auch, weil sie mit schlechten Englisch Kenntnissen keine Lust haben mit uns zu diskutieren.
Das Einzige was die iranischen Zöllner interessiert ist Alkohol. Nachdem wir ihnen versichert haben, dass wir keinen Alkohol dabei haben und sie noch etwas in unserem Gepäck herumgewühlt haben, während sie sich allerdings ständig dafür entschuldigt haben, sind wir auch schon in den Iran eingereist - unsere Motorräder allerdings noch nicht. Iran ist das erste Land wofür wir unseren Fahrzeugausweiß (Carnet de Passage) benötigen. Soweit wissen wir Bescheid, doch leider gibt es keinerlei Hinweise in welches Gebäude wir damit müssen. Lediglich ein paar ältere Herren bieten dafür ihre Dienste für 20 bis 50€ an. Wir lehnen mehrere Male dankend ab.
Am Grenzort lädt Miriam ihre Sim Karte auf und wir wechseln etwas Geld. Im Iran gibt es keine internationalen Bankautomaten, weshalb die meisten Touristen Dollar oder Euro zum Wechseln dabei haben. Der offizielle Wechselkurs für Dollar liegt ungefähr bei 42000 Rial für einen Dollar. Durch die US Sanktionen ist der Kurs auf dem Schwarzmarkt zu diesem Zeitpunkt allerdings bei ca. 100000 Rial für einen Dollar. Um dort Geld zu wechseln, verhält man sich einfach wie ein Tourist und kurze Zeit später kommt auch schon mit großer Sicherheit ein bärtiger Mann auf einen zu und bietet seine Dienste an. Alternativ fragt man einfach den nächsten Einheimischen und kommt mindestens genau so schnell zu einem "Geldwechsler". Die Personen ziehen dann alle immer ein rießiges Bündel Geld aus der Tasche oder haben sogar einen Koffer dabei, man drückt ihnen Dollars oder Euros in die Hand und bekommt dafür ein Bündel Rial - keine Quittung, mitten auf der Straße, funktioniert einwandfrei - so einfach ist das.
Wir machen uns auf den Weg nach Tabriz. Als es dunkel wird, kehren wir noch in ein Restaurant am Straßenrand ein und biegen danach in einen Feldweg ab, wo wir unser Lager für die Nacht in einem Steinbruch einrichten. Es ist ziemlich kühl, so haben wir das im Iran nicht erwartet.
Am nächsten Tag erreichen wir Tabriz. Miriam verhandelt hart mit dem Hotelpreis und wir bekommen ein günstiges Zimmer. Wir relaxen einige Zeit und machen uns anschließend auf den Weg zum historischen Basar für welchen Tabriz bekannt ist. Zuerst finden wir ihn gar nicht sofort, obwohl er wirklich gigantisch ist. Unzählige antike Hallen und Gänge vollgestopft mit allen nur erdenklichen Waren schaffen es einen nach kuzer Zeit dermaßen zu verwirren, dass man nicht mehr weiß wo man eigentlich herkam oder hin will. Daher setzen wir uns erst einmal in ein Restaurant und bestellen mit Händen und Füßen etwas zu Essen. Zusammengezwängt sitzen wir dann zwischen vielen schmatzenden Menschen, welche sich alle tierisch freuen, dass Touristen hier speisen und bekommen von allen Seiten "Thumbs Ups". Unser Essen kommt auf Tellern auf einem Stapel serviettenähnlichem Irgendwas. Wir sind uns erst nicht sicher, ob das zum Hände putzen oder Brot sein soll und beobachten daher neugierig unsere Tischnachbarn. Niemand isst es, daher beiße ich einfach ein Stück ab, mit der Gefahr mich lächerlich zu machen - doch grünes Licht - es scheint essbar zu sein und keiner lacht.
Anschließend schlendern wir noch etwas durch die Gänge und werden von einem älteren Herren angesprochen, welcher einen kleinen Antik Laden besitzt in den er gerade so selbst hinein passt. Er zeigt uns ein paar uralte Münzen und Wappen und will uns schließlich etwas über den Basar führen. Das kleine Lädchen verschließt er mit einem Stock und wir ziehen los. Zielsicher steuern wir durch den Basar. Er zeigt uns die schönsten Ecken, die besten Teppiche, wie man Brot macht und an welchen Stellen wir Fotos machen müssen. Anschließend spendiert er uns einen Tee und verabschieded sich um zu seinem Lädchen zurückzukehren. Auf seinen Rat hin fahren wir am nächsten Tag nach Kandovan.
Ein paar Kilometer weiter halten wir an einer Bäckerei mit frischem Brot. Sie backen uns ein extra riesiges Super Brot, welches wir an unsere Motorräder gelehnt anfangen zu verspeisen. Aus den Nachbarläden schauen uns immer mehr fragende Gesichter an. Schließlich bringt uns jemand frischen Ziegenkäse und jemand anderes zwei Flaschen Cola. Außerdem sollen wir uns doch bitte in seinen Reparaturladen setzen. Wahrscheinlich haben sie sich gewundert, warum zwei blöde Touristen auf der Straße stehen und trockenes Brot verschlingen. Leider spricht niemand wirklich Englisch. Daher ruft der Besitzer seine Frau an, welche dann ausgiebig mit Miriam telefoniert. Wir werden gleich von zwei Personen nach Hause eingeladen. Da wir allerdings recht zügig nach Tehran fahren wollen um unser Indien Visum zu beantragen, lehnen wir dankend ab.
Auf dem Weg nach Teheran benutzen wir zum ersten Mal die Autobahn. Im Iran sind größere Motorräder als 250 cm³ ohne Sondergenehmigung nicht erlaubt. Für eine Sondergenehmigung muss man ordentlich Geld bezahlen und daher gibt es auch kaum größere Maschinen in diesem Land. Motorräder dürfen zudem nicht auf die Autobahn - Touristen mit großen Motoren allerdings schon. Da Krafträder nicht auf die Autobahn dürfen, gibt es auch keine Autobahngebühren dafür. Touristen mit Motorrädern müssen daher auch keine Gebühren bezahlen. So darf man einfach winkend durch die Mautstellen fahren ohne einen Penny zu bezahlen. So macht das Reisen mit dem Motorrad besonders Spaß.
Am nächsten Tag erreichen wir die Hauptstadt Tehran. Der Verkehr in Tehran ist maximal chaotisch aber langsam. Vorfahrtsregeln gibt es nicht. In einen Kreisverkehr fährt man mit maximalem Schwung und versucht eine Lücke zu finden. Einbahnstraßen sind kein Grund nicht auch in die andere Richtung zu fahren. In einem Stau versucht man jede Lücke mit einem Motorrad auszufüllen. Helm tragen ist maximal uncool, aber man kann ihn lässig irgendwo ans Motorrad hängen oder auf dem Schoß spazieren fahren. Während man einhändig zickzack durch den Verkehr drängelt, checkt man Whatsapp Nachrichten oder telefoniert. Man kann auch problemlos im dichten Verkehr nebeneinander herfahren, sich mit den Touristen, welche sich versuchen zu konzentrieren, unterhalten oder ihnen Getränke und Leckereien dabei anbieten. So schieben wir uns mit Kopfschütteln und Lachen durch das Chaos. Hat man sich aber erst einmal daran gewöhnt ist es nur noch halb so schlimm. Der Verkehr ist meistens langsam und wenn man sich dem Fahrstil erst einmal angepasst hat, ist es gar nicht mehr so schwierig. Istanbul war damals deutlich gefährlicher.
Wir finden ein günstiges Hotel genau in der Innenstadt und dürfen unsere Motorräder gegen eine kleine Gebühr sicher auf einem privaten Parkplatz unterstellen.
Alles repariert und mit neuen Handschuhen kehren wir schließlich zurück ins Hotel. Eigentlich kann man unser Hotel aufgrund der Einbahnstraßen nur mit einem größeren Umweg erreichen. Wir beschließen daher, wie alle anderen Motorradfahrer auch, im "irani Style" einfach gegen die Fahrtrichtung zurückzufahren - alles geht gut - keinen interessiert`s.
Montags können wir dann endlich unseren Indien Visa Antrag stellen. In Tehran macht das nicht die indische Botschaft, sondern ein Reisebüro. Das erste Problem ist dann schon die Adresse zu finden. Platz und Adresse sind mit Google Maps nicht genau identifizierbar. Mit einer normalen Google Suche finden wir schließlich ein Bürogebäude mit einer ähnlichen Adresse mit Anfahrts Karte. So wissen wir dann zumindest ungefähr wo das Reisebüro sein müsste. Wir beschließen mit der Metro zu fahren und lassen die Motorräder ruhen. Das Metrosystem in Tehran ist ausgezeichnet und es ist auch alles zusätzlich auf Englisch geschrieben. Zudem ist es so unglaublich günstig, dass es überhaupt keinen Sinn macht mit dem eigenen Fahrzeug herumzufahren. Männer und Frauen haben getrennte Abteile, die Frauen dürfen allerdings auch freiwillig mit ins Männerabteil. Die Männer springen dann augenblicklich auf und bieten den Damen einen Sitzplatz an. Höflichkeit steht im Iran an erster Stelle. Bei den öffentlichen Busslinien ist es ebenso nach Geschlecht getrennt.
Das Reisebüro finden wir natürlich nicht sofort, sondern müssen erst diverse Passanten fragen. Als wir im zweiten Stock des großen Gebäudes ankommen, sitzen bereits viele Leute da und warten auf die Öffnung. Erstmal muss man sich in eine Liste eintragen. Als das Büro öffnet schlendern ein paar Damen und Herren hinein um sich allmählich an ihren Arbeitsplätzen einzurichten. Das dauert natürlich und "bereits" eine dreiviertel Stunde nach Öffnungszeit kann es dann auch schon mit dem ersten Kunden losgehen. Mittlerweile werden anhand der Liste an jeden Antragsteller Platzzettelchen verteilt. Drei Damen sind für die Antragsstellung zuständig. Ein kleiner Hoffnungsschimmer kommt auf, denn im Warteraum sitzen bereits über 50 Leute. Leider muss jeder Antragsteller zu jeder Dame. Die Erste tippt irgendwas in den Computer und muss die zweite Dame ständig irgendetwas fragen. Die Zweite tippt dann auch irgendwas in den Computer und korrigiert teilweise wieder die Erste. Die Dritte ist nur fürs Kassieren zuständig. Englisch können sie alle nicht wirklich und mürrisch sind sie auch. Eigentlich bitten wir darum unser Visa in einer Botschaft auf unserer Reiseroute Richtung Pakistan abholen zu können. Keine Chance, sie verschicken das Visa nicht per Post und haben sowieso keine Lust dazu - Arschgeigen!
Enttäuscht laufen wir zurück zum Hotel. Ich bin grantig und würde gerne ein paar Arschgeigen würgen. Ein leckeres Saffran Rosenwasser Eis hilft allerdings wieder unsere Stimmung zu heben. Am nächsten Tag im Reisebüro müssen wir wieder lange warten. Alles muss nochmals neu ausgefüllt werden, da unser Iran Visa im anderen Pass ist, aber diesmal sind wir bereits nach 6 Stunden fertig. Zumindest war der Preis für die Visas komischerweise extrem günstig. Jetzte heißt es 10 Tage warten und wir beschließen daher eine Rundtour Richtung Kaspisches Meer zu fahren.
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