Viele Dinge, die bei uns völlig normal sind, sind im Iran nicht erlaubt oder vorgeschrieben. Alle Frauen müssen Kopftücher tragen, auch Touristinnen. Das reicht von völlig verhüllt, bis nur sehr leger über den Dutt gehängt. Die meisten Frauen, welche wir getroffen haben, mögen es nicht. Kaum verwunderlich bei Temperaturen bis teilweise 50°C. Interessanter Weise sehen das die meisten Männer genauso.
Trifft man Iranerinnen in den Bergen beim Wandern oder abseits der Menschenmengen in der Natur, legen viele sofort ihr Kopftuch ab.
Der iranische Rial ist im freien Fall. Im Mai 2018 bekam man für 1 Dollar auf dem Schwarzmarkt 70000 bis 80000 Rial. Bei unserer Einreise Ende August waren es bereits 100000 Rial und in Tehran kurze Zeit später konnten wir bereits 1 Dollar gegen 130000 Rial tauschen. Der Wertverfall ist dramatisch und trifft natürlich die Bevölkerung schwer. Importwaren sind für die Einheimischen unglaublich teuer. Reisen ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht nur, dass der iranische Pass durch das weltweite Image einer der schlechtesten Pässe der Welt zum Reisen ist - Iraner benötigen fast für jedes Land der Welt ein Visum - durch den Wertverfall ist auch das Ausland extrem teuer.
Das ist sehr traurig denn die Iraner sind unglaublich Camping und reisebegeistert. Sie campen und picknicken einfach überall. In der freien Natur, im Stadtpark oder auch direkt neben der Autobahn am Straßenrand. Selbst in den großen Städten gibt es normalerweise Möglichkeiten sein Zelt aufzuschlagen.
Frauen dürfen im Iran nicht Motorrad fahren, zumindest nicht im öffentlichen Straßenverkehr und größere Motorräder als 250 cm³ sind nicht erlaubt. Davon sind Touristen allerdings ausgenommen. Miriam ist daher eine kleine Revolution auf Rädern. Eine Frau auf einem großen Motorrad zieht im motorradbegeisterten Iran jede Menge Aufmerksamkeit auf sich. So passiert es daher ständig, dass eine Frau im vorbeifahrenden Auto das Fenster herunterkurbelt und ihr "I love you" entgegen schreit. "Thumbs up" gibt es im Minutentakt.
Discotheken, Parties und vor allem Alkohol sind verboten. Am Anfang haben wir uns noch gewundert, warum Iraner mitten in der Pampa campen und abends bei höllenlauter Musik wie verrückt ums Zelt tanzen. Die jungen Leute fahren in ihrer Freizeit raus aus den Städten, raus in die freie Natur wo es keine Polizei gibt und sie tanzen und feiern können, wie sie es auch sonst gerne tun würden. Illegalen Alkohol, gehandelt wie Gold, gibt es dort natürlich auch.
Interessanterweise erklären uns fast alle Iraner, ohne dass wir das Thema angesprochen haben, dass sie die Regierung nicht mögen.
Trotz all den Umständen sind die Iraner mit Abstand eines der freundlichsten Völker der Welt. Die Gastfreundschaft geht teilweise so weit, dass man peinlich berührt ist. Man wird überall nach Hause oder zum Essen eingeladen. Hält man am Straßenrand an, kann man sicher sein kurz darauf angesprochen zu werden, ob alles in Ordnung ist oder Hilfe benötigt wird. Ganz im Gegensatz zu Europa, freut man sich hier Ausländer zu sehen und behandelt sie wie Könige. Diesbezüglich liegt das Abendland leider Lichtjahre zurück.
Im Iran gibt es eine für uns etwas ungewöhnliche Form der Höflichkeit namens Taarof oder Tarof. Es passiert häufig, dass man in einem Laden etwas einkaufen möchte und der Ladenbesitzer die Bezahlung ablehnt und stattdessen sagt „Gh'aabel nadaareh“. Sinngemäß ist damit gemeint, dass der Kunde für den Ladenbesitzer mehr Wert hat als die Ware oder wichtiger ist als die Ware. Diese Person drückt damit seine Höflichkeit besonders aus, was aber im eigentlichen Sinne nicht bedeutet, dass sie nicht bezahlt werden will. Man muss also mehrere Male darauf bestehen, dass der Verkäufer die Bezahlung annimmt.
Trotzdem ist uns öfters passiert, z.B. an Eiscreme Ständen, dass wir auch auf mehrmalige Bitte nicht bezahlen durften. Wie schon erwähnt - der Gast ist im Iran König.
Wir verlassen Tehran nach einem weiteren Ruhetag für eine Rundreise Richtung Norden, um auf unser Visum zu warten. Allerdings nehmen wir erst eine kleine Straße zum Skiresort Dizin um später auf die Hauptstraße nach Chalus zu kommen. Auf der Passhöhe, bevor es wieder nach Dizin den Berg hinunter geht, ist die Straße leider gesperrt. Uns wird erklärt, dass wir hier nicht weiter fahren können. Das ist erst ziemlich ärgerlich, da die ganze Strecke zurück nach Tehran, um dann weiter westlich Richtung Norden zu fahren, ein ziemlicher Umweg ist. Wir beschließen daher trotzdem weiterzufahren. Die Straße ist zwar für Autos blockiert, kann aber unsere Motorräder erst einmal nicht aufhalten. Ein paar Kilometer weiter sehen wir den Grund der Sperrung. Die Straße ist einfach komplett weggebrochen. Obwohl wir das kleine Örtchen Dizin bereits sehen können, ist hier auch mit zwei Rädern kein Durchkommen mehr. Wir müssen umdrehen und versuchen ein paar hundert Meter weiter oben querfeldein den Skihang unter der Liftanlage zu erreichen. Nach einer ziemlich verblockten Passage stehen wir glücklicherweise auf der Wiese unter dem Lift und können von dort die restlichen Kilometer ins Tal abfahren.
Um Chalus zu erreichen war es bereits zu spät. Ein Blick auf die Karte zeigt einen kleinen See und wir entscheiden dort hinzufahren um einen Übernachtungsplatz zu finden bevor es dunkel wird. Der See liegt zwischen Bergen etwas außerhalb von einem kleinen Dorf und ist nur auf einer schlechten Schotterstraße zu erreichen. Wir finden einen schönen Platz für unser Zelt direkt am Ufer. Auf der gegenüberliegenden Seite scheint mehr los zu sein. Neben einem Restaurant gibt es einen großen Zeltplatz und dieser wird allmählich immer voller - es ist Wochenende.
Am nächsten Morgen nehmen wir ein Bad. Das Wasser ist ungewöhlich warm. Da uns niemand sehen kann badet Miriam im Bikini. Als sie gerade erst ins Wasser gesprungen ist, taucht natürlich plötzlich auch schon jemand auf. Eine Gruppe junger Leute mit zwei Frauen und zwei Männern und ein Schlauchboot. Miriam will sich gerade hektisch etwas überwerfen, als eine der Damen auch schon lächelnd meint "relax". Beide Mädels sind ebenfalls ohne Kopftuch und eine davon sogar bauchfrei. Wir seien weit weg von der Stadt, es sei fast niemand hier, Polizei gäbe es hier nicht und sie solle doch einfach so weiter schwimmen.
Mit der Zeit kommen immer mehr Leute. Zum Einen weil es der schönste Teil vom See ist und zum Anderen weil hier zwei Ausländer wohnen, die jeder begrüßen will.
Es dauert nicht lange und wir werden auch schon von einem netten Herren zum Abendessen eingeladen. Nach dem Essen gibt es Lagerfeuer und höllisch laute Musik. Zeit zum Tanzen zur großen Freude aller Anwesenden, allerdings weniger zur Freude meinerseits. Einer der Herren ist Kurde, die scheinen ein besonders tanzwütiges Volk zu sein. Die Beine und Arme flitzen, als wäre er als Kind in ein Fass Red Bull gefallen und das geht so stundenlang. Als wir mit dröhnenden Ohren endlich im Bett liegen, ist die Nacht für die meisten Einheimischen noch lange nicht vorbei. Sie tanzen bis in den Morgengrauen.
Tags darauf sind wir nicht mehr allein und viele Leute kommen zum schwimmen oder um von den nahegelegenen Klippen zu springen. Unsere vier Bekannten vom ersten Tag empfangen uns mit leckerem Mittagessen und zum Nachtisch gibt es Wasserpfeife auch Shisha genannt. Shishas sind im Iran sehr beliebt und überall sieht man kleine Grüppchen sitzen, die an den Wasserpfeifen saugen. Meistens verwenden sie keinen Tabak, sondern eine Glycerinmischung mit Fruchtgeschmack, welche wie Marmelade aussieht. Diese wird dann mit Alufolie abgedeckt und liebevoll mit glühender Kohle bestückt. Wir bekommen Kirschgeschmack mit nicht "one apple" sondern "two apple". Ob das geschmacklich einen Unterschied macht, können wir allerdings nicht sagen.
Abends sind wir zum Angeln und Essen auf der gegenüberliegenden Seite auf dem Campingplatz eingeladen. Um dort hinzukommen paddeln wir nachts im völlig überfüllten Schlauchboot ans andere Seeufer. Wir werden wie ein Teil einer großen Familie behandelt und vom strengen Iran ist hier absolut nichts mehr zu erkennen.
Weil die Stimmung und die schöne Lage so entspannend ist, bleiben wir insgesamt drei Nächte am See.
Auf unserer Weiterfahrt passieren wir Chalus und übernachten im Sisangan National Park direkt am Kaspischen Meer. Am Eingang ist direkt ein großer Campingplatz mit vielen Menschen. Wir versuchen etwas abseits unser Zelt aufzustellen, doch werden noch beim Aufbau kurze Zeit später eingeladen, unser Zelt zu einer Großfamilie aus Maschhad dazuzustellen. Selbstverständlich mit Komplettversorgung und Einladung nach Maschhad.
Auf mehrfache Empfehlung brechen wir am nächsten Morgen auf nach Filband. Filband ist ein kleines Örtchen in den Bergen mit einer schönen Passstraße die normalerweise über die Wolkendecke führt. Der Ausblick ist mit Sicherheit wunderschön, doch leider ist der Ort an diesem Tag in den Wolken und man kann nicht viel erkennen. Daher fahren wir weiter zum höchsten Gipfel im Iran. Mount Damavand ist mit 5610 m gleichzeitig der höchste Vulkan Asiens. Von unserem Zeltplatz auf einer kleinen Wiese bietet sich am nächsten Morgen ein majestätischer Anblick auf den fast schneefreien Gipfel.
Wieder zurück in Tehran, können wir kurze Zeit später nach 9 Tagen unser Visum abholen. Unserer Weiterreise in den Süden steht nun nichts mehr im Weg und wir machen uns auf den Weg Richtung Isfahan.
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