Mittwoch, 1. August 2018

Offroad Paradies Kirgistan

Nach einigem Hin und Her haben wir die Ersatzteile für Miriams Motorrad in Almaty bekommen und die Zeit war nicht ganz so langweilig, da wieder ziemlich viele coole Leute im European Backpacker Hostel waren.

Ein Sowjet-Limo-AutomatSo sind wir also ein paar Tage später wieder zurück in Bishkek, wo wir unsere Schweizer nochmal treffen und eine Art Abschieds-UDSSR-Gedenk Tag machen. In Bishkek findet man noch diverse Überbleibsel aus der Zeit der Sowjet Union. Wie haben es immer daran gemerkt, das Andreas' Augen angefangen haben zu leuchten, weil er sich an seine Kindheit erinnert hat. Man findet z.B. überall in der Stadt türkisfarbene "Limo-Automaten". Automaten waren es zumindest früher einmal, jetzt steht immer eine Person daneben und bedient die riesigen Metallboxen im geöffneten Zustand. In der Regel bekommt man da Apfel- oder Birnenlimonade und Wasser. Sie haben sogar eine Spülung für die Gläser integriert und sind wirklich ziemlich cool. Oft sind die Besitzer genau so alt wie die Automaten selbst und wir gönnen uns während unserer Stadttour natürlich das ein oder andere Glas.
Weiterhin gibt es kleine Buden, welche sich Pivnushkas nennen. Man kann dort leckeres gezapftes Bier bekommen. Früher ist man dort wohl einfach vorbei gegangen, hat sich ein paar Biere gegönnt und ist dann wieder weitergezogen - also eine Art Fast-Drink Bier Kneipe. Zusätzlich gibt es dort immer allerlei getrockneten Fisch, welchen man zum Bier isst. Wir sind dann durch Bishkek gezogen und haben uns immer mal ein Bierchen gegönnt. Eine wirklich tolle Sache diese Pivnushkas.
Es gibt auch zahlreiche kleine Bäckereien, welche Teigtaschen mit Fleischfüllung herstellen. Auch diese gab es wohl früher in Andreas' Heimatstadt an jeder Straßenecke. Sie passen auch wunderbar zum Bier. Wir verbringen einen ziemlich coolen letzten Tag zusammen in Bishkek und unser UDSSR-Gedenk-Tag ist ein voller Erfolg, wir fallen abends ins Bett und schlafen wie Steine.
Miriam holt Wasser im DorfAm nächsten Tag brechen wir Richtung Song Kul See auf. Wir fahren zuerst nach Westen und brauchen Ewigkeiten, bis wir überhaupt einmal in dem dichten Verkehr aus Bishkek rauskommen. Dann biegen wir auf eine Passstraße ab, wo wir eine kleine Maut bezahlen müssen. Das Sträßchen schlängelt sich über viele Kilometer den Berg hinauf und führt schließlich auf über 3000 m zum Kohlenstoff-Monoxid-Tunnel. Wir haben gar nicht groß darüber nachgedacht und sind einfach, an den wartenden LKWs vorbei, in den Tunnel reingefahren. LKW's haben eine Ampel und es darf nur eine Seite jeweils fahren, da der Tunnel nicht breit genug ist. Er ist praktisch stockdunkel, der Straßenbelag ist in einem miserablen Zustand und es herrscht ein höllen Lärm. Nach der Hälfte wird einem bereits schwummrig, da fast keine Belüftung vorhanden ist. Ab und zu überholt noch ein verrückter Autofahrer dem es nicht schnell genug geht. Kurz bevor man ohnmächtig vom Motorrad fällt, erblickt man zum Glück wieder Tageslicht und kommt, wenn man Glück hat, heil auf der anderen Seite an. Später wird uns erklärt, dass Radfahrer auf keinen Fall durchfahren sollen und nach einer Mitfahrgelegenheit suchen müssen. Sonst sei das viel zu gefährlich.
Nachdem wir den Pass auf der anderen Seite wieder heruntergefahren sind, biegen wir auf eine Schotterstraße Richtung Suusamyr. Dort kaufen wir noch ein paar Dinge ein und schlagen unser Zelt neben einem reißenden Fluß auf. Miriam findet ein Skellett einer toten Kuh und will den Schädel als Badass-Gallionsfigur für ihr Motorrad haben.

Auf den Weiden am Song Kul See
Lord of the BaggerMoldo-Ashuu PassNach dem Frühstück folgen wir dem Flusslauf noch einige Kilometer und biegen dann nach Osten Richtung Song Kul See ab. Wir haben uns für die kleinste und einsamste Strecke zum See entschieden. Als wir die Hauptstraße verlassen, stecken wir daher auch gleich einmal im Schlamm und sauen uns ordentlich ein. Der Feldweg wird zum Glück nach ein paar Kilometern wieder besser und ist nicht mehr matschig. Die Straße führt uns zuerst über freie Steppe, dann in einen kleinen Canyon und geht schließlich bis auf über 3200 m den Berg hoch. Auf der Passhöhe hat man dann einen klasse Ausblick auf den Song Kul See und die hohen Berge. Auf der Fahrt zum See verläuft sich unsere kleine Straße langsam und es wird schwierig überhaupt noch Straße zu finden. Daher fahren wir letztendlich einfach nur noch wie Cowboys über die grünen Wiesen. In den Alpen flippen die Leute aus, wenn sie ein Edelweiß erspähen. Hier ist die ganze Wiese voll damit und als wir am See angekommen sind und unser Zelt aufschlagen, müssen wir das auch auf Edelweiß stellen - es wächst einfach überall.
Wir gesellen uns zu drei Engländern mit denen wir unser Bier teilen. Es ist das erste Mal für sie, dass sie über 3000 m mit Bier versorgt werden. Als Dank dafür und weil es so kalt ist, machen sie ein Kuhscheiße Feuer. Es kokelt und qualmt prima, aber Wärme spendet es leider nicht. Daher gehen wir auch recht zeitig ins Bett, da es wirklich unangenehm kalt wird. Beim Einschlafen kommt mir irgend etwas komisch vor. Nach einer Weile fällt mir auf was es ist. Es ist absolut still - kein einziges Geräusch. Ich liege noch eine ganze Zeit da und versuche etwas zu hören, absolut nichts - cool. Da passiert uns auf unserer Reise hier in den Bergen noch ein paar Mal und ist wirklich etwas ganz Besonderes was es nur noch an wenigen Orten auf der Welt gibt.
Am nächsten Morgen werden wir durch viele Schafe und Kühe ums Zelt geweckt. Wie überall in Kirgistan gibt es auch hier am See keine Zäune und alles darf frei herumspringen. Wir verlassen den See über den Moldo-Ashuu Pass nach Süden. Von der Passhöhe hat man einen fantastischen Ausblick auf die Passtraße selbst und die herumliegenden Gipfel.

Unser nächstes Ziel ist Naryn, wo wir uns ein Permit für den Kel Suu See holen. Der See ist ziemlich abgelegen und daher müssen wir uns vor der Abfahrt mit allerlei Essen (Reis, Linsen und Nudeln) eindecken. Die komplette Strecke ist Offroad und nach wenigen Kilometern ziehen wieder einmal dicke Regenwolken auf. Wir stehen dann plötzlich mitten auf dem Feld zwischen zwei Gewitterfonten und es fängt um uns herum heftig an zu winden, blitzen und regnen. Wir parken daher relativ nahe an einer Stromleitung, damit wir nicht der höchste Punkt vom Feld sind und ziehen unsere Regensachen an. Die Gewitter sind lustigerweise um uns herum aber nicht richtig über uns. So regnet es an unserer Stelle kaum, aber ein paar hundert Meter in jede Richtung geht die Welt unter. Wir warten eine halbe Stunde bis die Gewitter weitergezogen sind und fahren dann bei leichtem Nieselregen weiter. Auf der Strecke sind diverse Militärkontrollen und an einer treffen wir ein paar Touristen, die uns mitteilen dass der See kein Wasser mehr führt. Traurig aber wir fahren trotzdem weiter.

Das Tal zum Kel Suu SeeKleiner Canyon auf dem Weg zum Kel Suu SeeAuf der ganzen Strecke sehen wir praktisch niemanden, aber kurz vor unserem Ziel treffen wir plötzlich auf eine riesige Gruppe die in der Pampa ein gigantisches Mittagessen aufgebaut haben. Es ist eine israelische Reisegruppe, alles Selbstfahrer, und sie laden uns zum Essen ein. Uns wird erklärt, dass sie zu einem geheimen See fahren - so geheim, dass er nicht einmal einen Namen hat. Miriam erklärt ihnen, dass es hier nur einen See gibt, der Kel Suu Lake heißt und wir da auch hinwollen. Der Reiseführer findet das nicht so gut - Miriam hat wohl mit ihrem Feingefühl das Abenteuer Feeling etwas zerstört. Allerdings merken die Isrealis dann spätestens an ihrem Übernachtungs-Camp, dass sie nicht die einzige Reisegruppe sind, die hier durchgeschleust wird. Wir übernachten auf einer Wiese etwas außerhalb der Jurt Camps. Das Panorama ist gigantisch. Unser Zeltplatz liegt auf ca. 3300 m, die Grashügel um uns herum leuchten goldgelb in der Abendsonne und sind fast so hoch wie der Mont Blanc. Dahinter sieht man dann die großen schneebedeckten Berge, die alle nochmal deutlich höher sind und er Mond ist nachts so hell, dass man kaum schlafen kann.
Ich und mein Bier
Kel Suu See ohne WasserDie Israelis fahren früh morgens schon die restlichen 7 km bis zum See d.h. sie versuchen es zumindest, bleiben aber im Schlamm stecken und müssen letztendlich umdrehen, ohne den See gesehen zu haben. Sie sagen uns, dass wir da niemals mit unseren Motorrädern durchkommen und daher beschließen wir die Strecke zu wandern. Die Wanderung ist wirklich sehr schön und als wir am See ankommen war uns klar, dass wir die Strecke locker ohne Probleme auch hätten fahren können - doch egal. 
Wie schon berichtet ist der See leer. Warum konnten wir leider nicht rausfinden und auch die Touristeninformation in Naryn hat über den leeren See kein Wort verloren. Ein bisschen traurig ist es schon, aber auch so sieht der leergelaufene See, umgeben von steilen Felswänden auf 3500 m, absolut spektakulär aus.
Wir überprüfen unseren Benzinstand und beschließen dann tags darauf die längere Strecke über die chinesische Grenze zurückzufahren.

Zwei Welten treffen aufeinanderAls wir das Tal wieder verlassen und nach Süden abbiegen wollen, treffen wir einen Cowboy auf seinem Pferd. Nach einem kurzen Wortwechsel will er uns zum Cay einladen und wir folgen ihm über die Weiden zu seiner Hütte. Er hat eine Frau und zwei Kinder. Wir werden mit Unmengen an Essen und fermentierter Pferdemilch versorgt. Jedes Mal als ich froh bin das Glas geschafft zu haben, wird es wieder bis zum Rand gefüllt. Wir müssen jeder ungefähr ein Kilo frittiertes Brot, ein halbes Kilo Butter und ein Liter fermentierte Pferdemilch in uns reingestopfen und sind dann ganz froh, dass wir plötzlich noch ein Glas Vodka zum Abschied bekommen. Wir bekommen noch die Pferde auf der Weide gezeigt und machen gemeinsame Fotos. Sie waren super nett, aber selbst mit Google Übersetzer auf Miriams Smartphone war die Unterhaltung leider sehr mühsam und wir haben wieder einmal etwas bereut, dass wir kein russisch sprechen können.
Nachdem wir uns von unseren netten Gastgebern verabschiedet hatten, geht Miriams Motorrad wenige Kilometer später einfach aus. Es bekommt einfach überhaupt keinen Strom mehr. Ich will dem Problem gerade auf den Grund gehen, als ein Auto anhält und der Park Ranger aussteigt. Er kontrolliert kurz unsere Unterlagen und schaut sich dann das Motorrad an. Er klopft etwas auf dem Licht und Miriams montiertem Kuhschädel rum und plötzlich hat das Motorrad wieder Strom. Ich will eigentlich noch nach der Ursache suchen, doch der Mann baut schon wieder alles zusammen. Miriam muss ich dann noch überreden ihren schweren Kuhschädel zurückzulassen. 
Einige Kilometer später geht das Motorrad wieder aus. War ja eigentlich klar, aber ich durfte ja nicht mehr nachschauen. Also baue ich die Front wieder auseinander und finde nach kurzer Zeit einen losen Stecker. Alles funktionierte nun wieder zuverlässig und die Fahrt konnte weitergehen. Wir fahren über endlose Steppe mit schneebedeckten Bergen auf beiden Seiten. Ab und zu durchqueren wir einen Fluss oder fahren in einem Flussbett mit Kieseln und Sand. Irgendwann erscheint dann ein Grenzzaun dem wir die restlichen Kilometer bis zum Grenzgebäude der chinesischen Grenze folgen. Dort biegen wir wieder auf eine asphaltierte Straße und fahren am Chatyr Kul See vorbei bis zur Abzweigung nach Baetov. Hier wird die Strecke wieder zur schlechten Dreckstraße und wir schlagen unser Zelt wieder einige Kilometer später auf einer Weide auf zwischen unzähligen von empörten Murmeltieren. Auch hier ist man wieder fast ganz allein.

Schnee am letzten Pass vor OshAm nächsten Tag fahren wir über Baetov nach Kazarman und weiter Richtung Osh. Praktisch die komplette Strecke ist Schotterstraße oder schlechter und wirklich traumhaft zum Motorradfahren. Am letzten Pass liegt noch einmal ordentlich Schnee neben der Straße. Danach verlassen wir allmählich die Berge und in Osh angekommen ist das Wetter dann plötzlich sehr heiß. Wir sind auch nicht einmal mehr 1000 m hoch.

Sary Tash die Berge im Hintergrund sind knapp unter 7000mIn Osh ruhen wir einen Tag aus und treffen unseren britischen Kumpel Robin wieder. Wir wollen eigentlich gemeinsam weiter nach Tadschikistan fahren, aber am Abfahrtstag läuft Öl aus Miriams Gabel. Robin muss also ohne uns weiterfahren und ich benötige einen Tag um Miriams Gabel zu richten. Am nächsten Tag fahren wir ebenfalls zu Grenzstadt Sary Tash. Sary Tash ist ein Kaff und man bekommt wirklich nur das Allernötigste - Benzin und ein paar spärliche Nahrungsmittel. Als wir gerade tanken steht Robin plötzlich wieder neben uns. Wir fahren anschließend ein paar Meter aus dem Dorf und campen auf einer grünen Wiese. 
Nach dem Frühstück tags darauf fahren wir zur Grenze nach Tadschikistan. Wie alle Grenzstraßen wird diese wieder nach kurzer Zeit abartig schlecht mit großen Schlaglöchern. Zwischen den Bergen liegt dann die kirgisische Grenzkontrolle. Die Ausreise gestaltet sich einfach und wir dürfen nach kurzer Zeit weiterfahren. Zur tadschikischen Grenze sind es jetzt noch einmal ca. 17 km Niemandsland. 
Kirgistan war bis jetzt eines unserer Highlights. Wer Berge mag, wird Kirgistan lieben. Die Menschen sind unglaublich nett, oft trifft man aber überhaupt keine, weil man in den abgelegeneren Bergregionen einfach völlig alleine unterwegs ist.

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